„Städtebauförderung hilft bei der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse“
Mit dem Demografieportal hat Anne Katrin Bohle, Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, kurz vor dem Demografiedialog des Bundesinnenministeriums in Stendal über Strategien und Fördermaßnahmen für Städte und Gemeinden gesprochen. Für die Regionen gebe es nicht das eine „richtige Rezept“, betont sie, wenn es beispielsweise um den Umgang mit Leerstand geht.
Anne Katrin BohleQuelle: BMI
Redaktion Demografieportal: Ein wichtiges Ziel der Bundesregierung ist es, für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen. Der demografische Wandel ist dabei eine Herausforderung. Wie sorgt der Bund dafür, dass Städte und Gemeinden, die besonders von Abwanderung betroffen sind, lebenswert bleiben?
Bohle: Der Bund möchte die Städte und Gemeinden bestmöglich bei der Anpassung an den demografischen Wandel unterstützen. Wer sich an seinem Wohnort wohlfühlt, findet dort Heimat und ist Teil der Gesellschaft. Für uns hat deshalb die Förderung der Städte eine große wirtschaftliche, soziale und kulturelle Bedeutung.
Redaktion: Wie sieht diese Förderung genau aus?
Bohle: Wir unterstützen die Städte und Gemeinden mit den Programmen der Städtebauförderung; allein für diese Aufgabe stellt der Bund im Jahr 2019 den Ländern 790 Millionen Euro zur Verfügung. Davon profitieren besonders unsere kleinen und mittleren Städte; sie erhalten zusammen mehr als 70 Prozent der Bundesmittel. Damit können die Städte und Gemeinden wichtige Investitionen tätigen, damit sie als lebenswerte Orte für Wohnen, Kultur und Arbeit erhalten und erneuert werden.
Redaktion: Wie können Städte und Gemeinden ihre Infrastrukturangebote an den demografischen Wandel anpassen?
Bohle: Das ist eine schwierige Aufgabe für die betroffenen Städte und Gemeinden; dennoch wurden bereits vielerorts gute Ideen und Lösungen entwickelt. Die Städtebauförderung hilft dabei, Infrastruktureinrichtungen an den Bedarf anzupassen oder die Umnutzung von Gebäuden voranzubringen. So kann beispielsweise aus einem verlassenen Bahnhof eine Bibliothek und aus einer alten Fabrik ein Kulturzentrum oder eine Verwaltungseinrichtung werden.
Der Umbau der Städte bietet auch Chancen für neue Qualitäten und für die bessere Einbeziehung und Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger. Wichtig finde ich, dass auch junge Menschen in Entscheidungen einbezogen werden. Dies ist gerade für Städte und Gemeinden wichtig, aus denen viele junge Menschen wegziehen.
Redaktion: Gibt es weitere Strategien und Maßnahmen?
Bohle: Die Verlagerung von Bildungs-, Verwaltungs- und Versorgungseinrichtungen, wie zum Beispiel Schulen, in die Innenstädte und Ortskerne sorgt für mehr Publikumsverkehr und trägt damit erheblich zur Belebung eines Ortes bei. Auch dabei unterstützt die Städtebauförderung. So können Innenstädte und Ortskerne gestärkt und gleichzeitig die Daseinsvorsorge gesichert werden.
Redaktion: In strukturschwachen Regionen stehen vielerorts Gebäude und Wohnungen leer. Welche Strategien für den Umgang mit Leerstand haben sich bewährt?
Bohle: Es gibt ganz unterschiedliche Strategien für den Umgang mit Leerstand und sie müssen die Situation vor Ort berücksichtigen; deshalb gibt es nicht das eine „richtige Rezept“. Wir unterstützen die Städte und Gemeinden mit den Programmen der Städtebauförderung dabei, Lösungen zu finden und diese umzusetzen. So helfen wir beim Erhalt und bei der Aktivierung leer stehender Altbauten in Innenstädten oder in historischen Stadt- und Ortkernen.
Andere Strategien gibt es beispielsweise für Wohnsiedlungen am Stadtrand, die ein schlechtes Image haben. Hier können etwa Aufwertungsmaßnahmen und der bedarfsgerechte Umbau der Siedlung einschließlich von Angeboten für altersgerechtes Wohnen zu einer stabileren Nachfrage führen. Gerade für strukturschwache Städte, die Einwohner verlieren, ist die Entwicklung zukunftsfähiger Standorte und nachfragegerechter Wohnungen besonders wichtig.
Redaktion: Der Koalitionsvertrag sieht vor, die Städtebauförderung zu flexibilisieren und zu entbürokratisieren. Welche Vorschläge gibt es dazu?
Bohle: Wir wollen die Städtebauförderung so ausgestalten, dass sie die anstehenden Zukunftsaufgaben anpacken kann. Dazu haben wir uns mit den Ländern und Verbänden intensiv abgestimmt und eine neue Struktur entwickelt, welche die bisherigen Förderinhalte bündelt und konzentriert. Es ist geplant, die bisher bestehenden sechs Programme in drei Programmen zu bündeln.
Redaktion: Wie wirkt sich dies auf die Förderinhalte aus?
Bohle: Die Förderinhalte bleiben bestehen. Es ist uns wichtig, dass damit keine Förderbeschränkungen einhergehen, es ist eher umgekehrt: Die Förderung soll an manchen Stellen weitere Entlastung für die Städte und Gemeinden bringen, zum Beispiel durch erhöhte Bundesanteile bei bestimmten Förderungen. Dazu gehört auch die Unterstützung von Kommunen in Haushaltsnot durch die Reduzierung des kommunalen Eigenanteils auf 10 Prozent. Bei der Weiterentwicklung der Städtebauförderung haben wir die Stärkung interkommunaler Kooperationen und ländlicher Räume fest im Blick.
Redaktion: Wie sieht das konkret für das Programm „Stadtumbau“ aus, das sich bisher besonders mit dem demografischen Wandel auseinandergesetzt hat und spezielle Sonderkonditionen für die neuen Länder beinhaltet?
Bohle: Ohne Frage hat das Programm „Stadtumbau“ in besonderem Maße Städte und Gemeinden bei der Bewältigung des strukturellen und demografischen Wandels unterstützt. Und hier setzen wir an: Die Förderinhalte des Programms „Stadtumbau“ gehen vollständig im neuen Programm „Wachstum und nachhaltige Erneuerung“ auf. Die bisherige Förderung wird ohne Abstriche fortgeführt, auch zu den bisherigen Sonderkonditionen für die neuen Länder.
Redaktion: Um welche Maßnahmen handelt es sich bei den Sonderkonditionen für die neuen Länder konkret?
Bohle: Dazu gehört insbesondere die Förderung der Sanierung und Sicherung von Altbauten ohne kommunalen Eigenanteil, die wir fortführen. Dieses Instrument ist wichtig, um wertvolle leer stehende Altbauten zu erhalten. In den Ländern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt befinden sich über 50 Prozent des Wohnungsbestands in Altbauten. Sie liegen damit erheblich über dem Bundesdurchschnitt von 26 Prozent. Deshalb wird dieses Instrument dort intensiv eingesetzt. Uns ist wichtig, dass dies auch zukünftig möglich ist.
Redaktion: Ist der Abriss von Wohnungen vor dem Hintergrund des oft zitierten Wohnungsmangels noch zeitgemäß?
Bohle: Ja, wenn der Leerstand sehr hoch ist und langfristig die Nachfrage nach Wohnungen in der Stadt und im Stadtteil fehlt, ist auch der Rückbau von Wohnungen eine Lösung und kann Positives bewirken.
In vielen Regionen der neuen Länder bestehen weiterhin strukturelle Leerstände, dort würde der Leerstand ohne Abriss noch weiter steigen. Deshalb werden wir auch im neuen Programm „Wachstum und nachhaltige Erneuerung“ den Rückbau leer stehender Wohnungen in den neuen Ländern ohne kommunalen Eigenanteil fördern. Das neue Programm „Wachstum und nachhaltige Erneuerung“ umfasst damit alle bisherigen Förderinhalte im Stadtumbau und geht noch darüber hinaus.
Redaktion: Auch die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ hat sich mit der Städtebaubauförderung und der Wohnraumförderung beschäftigt. Welche Vorschläge hat sie gemacht?
Bohle: Im Juli 2019 hat die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ ihren Bericht vorgelegt. Eine konkrete Maßnahme des Bundes befasst sich mit der Intensivierung der Städtebauförderung und der stärkeren Beteiligung des Bundes am sozialen Wohnungsbau. Ziel ist, sozial ausgewogene Wohnverhältnisse auch in strukturschwachen Regionen besser zu ermöglichen. Der Bund unterstützt den sozialen Wohnungsbau in den Jahren 2020 und 2021 mit Finanzhilfen in Höhe von jeweils einer Milliarde Euro. Es wird angestrebt, dieses Engagement des Bundes in der kommenden Legislaturperiode fortzusetzen.
Redaktion: Der nächste Demografiedialog des Bundesinnenministeriums findet im Landkreis Stendal in Sachsen-Anhalt statt. Wie kann das Format Kommunen unterstützen?
Bohle: Die Reihe der Demografiedialoge ist eines der neuen Formate in dieser Legislaturperiode, mit denen wir im Bundesinnenministerium die Umsetzung der Demografiestrategie in der Fläche voranbringen. Es geht insbesondere darum, übertragbare Ansätze zur Stärkung der Regionen sichtbar zu machen. Dabei gehen wir ganz gezielt auf die Herausforderungen vor Ort ein. Beim ersten Demografiedialog im oberpfälzischen Cham ginge es um Mobilität im ländlichen Raum.
Redaktion: Vor welchem Hintergrund findet der Demografiedialog in Stendal statt?
Bohle: Die Bevölkerung im Landkreis Stendal ist deutlich zurückgegangen. Deshalb stellt sich weiterhin die Frage, wie leer stehende Gebäude um- oder rückgebaut werden können und wie die Menschen im Landkreis zukünftig wohnen wollen. Um diese Fragen geht es am 29. Oktober in Stendal. Gemeinsam mit lokalen Akteuren, Vertreterinnen und Vertretern des Bundes und der Wissenschaft sollen neue Denkanstöße entwickelt werden. Wir werden die Städte und Gemeinden auch zukünftig bei der Bewältigung des Strukturwandels und des demografischen Wandels unterstützen!
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