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Auf dem 4. Demografiekongress des Landes Sachsen-Anhalt am 22. Oktober 2018 kamen neben Politikern, Wissenschaftlern und Kommunalvertretern auch Familien, Sachsen-Anhalt-Rückkehrer und junge Menschen zu Wort. Unter dem Motto „Wir gestalten unsere Zukunft“ war der Kongress als offener Dialog angelegt. Ein wichtiger Bestandteil: der Jugend-Workshop, in dem junge Menschen ihre Forderungen für die Zukunft Sachsen-Anhalts diskutierten.
Sachsen-Anhalt ist eines der Bundesländer, das die Folgen des demografischen Wandels deutlich spürt. Innerhalb der letzten 30 Jahre hat es 23 Prozent seiner Bevölkerung verloren. Auch 2017 ist die Bevölkerungszahl in Sachsen-Anhalt weiter rückläufig und liegt gegenwärtig bei gut 2,2 Millionen.
Als Bildungsstandort wird Sachsen-Anhalt attraktiver. Die Universitätsstädte Halle (Saale) und Magdeburg verzeichneten im Jahr 2017 Bevölkerungsgewinne von 0,5 beziehungsweise 0,1 Prozent. Bereits seit 2010 zieht es mehr junge Menschen zum Studium nach Sachsen-Anhalt als Abiturienten das Land für ein Studium verlassen.
Auch die Zahl der ausländischen Studierenden nimmt zu und hat 2017 mit 7.280 Personen einen neuen Höchststand erreicht. Knapp jeder siebte Studierende kommt aus dem Ausland – etwas mehr als im Bundesdurchschnitt.
Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff hob hervor, dass der Bereich der akademischen Bildung zur Fachkräftesicherung einen positiven Beitrag leisten kann:
„Unsere Hochschulen bilden nicht nur Landeskinder aus, sie wirken auch als Magnete, die junge Menschen aus anderen Regionen nach Sachsen-Anhalt ziehen. Damit verbindet sich die Chance, die Absolventen im Land zu halten.“ Sachsen-Anhalt biete vieles, was es als Lebens- und Arbeitsstandort attraktiv mache. Das seien nicht nur die einmaligen Kulturschätze, die malerischen Landschaften und ein buntes Freizeitangebot. Das Land verfüge auch über leistungsfähige Industrie-, Dienstleistungs- und Handwerksunternehmen, die interessante Arbeitsplätze anböten.
„All das müssen wir gemeinsam viel stärker deutlich machen und gleichzeitig daran arbeiten, dass die Attraktivität erhalten bleibt“, betonte Haseloff.
Auf der einen Seite führten der Bevölkerungsrückgang und die stabile Wirtschaftsentwicklung zu einer signifikanten Entspannung am Arbeitsmarkt. Die Chancen von Schulabgängern, einen Ausbildungsplatz im Heimatland zu finden, seien so gut wie nie zuvor. Auf der anderen Seite müssten sich Arbeitgeber teilweise große Sorgen um den Nachwuchs machen, unterstrich der Ministerpräsident.
Für unakzeptabel hält Haseloff es, dass 10 Prozent der Jugendlichen in Sachsen-Anhalt ohne Abschluss die Schule verlassen. Neben einer besseren Nutzung der eigenen Bildungspotenziale sei es daher wichtig, potenziellen Rückwanderern eine Perspektive in Sachsen-Anhalt aufzuzeigen.
So stehe das WelcomeCenter des Landes Rückkehrern, Zuzugsinteressierten und heimischen Unternehmen mit Rat und Tat zur Seite.
Landesentwicklungsminister Thomas Webel machte in seiner Rede deutlich, dass kaum ein anderes Bundesland so durch den ländlichen Raum geprägt ist wie Sachsen-Anhalt. 75 Prozent der Bevölkerung lebten hier in den Dörfern und Städten. Webel stellte mit Blick auf die Lebensbedingungen vor Ort klar:
„Eine unserer wichtigsten Aufgaben ist es, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in den ländlichen Räumen sicherzustellen. Daran arbeiten wir konsequent. Sei es durch Investitionen in Erhalt und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und einen besseren Öffentlichen Personennahverkehr, in die Stadtentwicklung und die Kinderbetreuung, den Bildungsbereich oder ganz einfach in die Stärkung und Unterstützung des Ehrenamtes. Jeder ist uns wichtig. Beim Thema Familienfreundlichkeit haben wir in Sachsen-Anhalt bereits in vielen Bereichen die Nase vorn. Das ist ein wichtiges Argument, um junge Familien ins Land und in den ländlichen Raum zu holen.“
Dr. Hermann Onko Aeikens, Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, sprach zur Zukunft des ländlichen Raumes. Er wies auf die vom Bundeskabinett beschlossene Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse hin. Ziel sei es, nicht „gleiche“, sondern vielmehr „gleichwertige“ Lebensverhältnisse in ganz Deutschland zu schaffen.
Die Sicht einiger Wissenschaftler, dass manche Dörfer aufgegeben werden sollte, teile er nicht. Er empfahl den Blick nach Skandinavien. Trotz dünner Besiedlung gebe es hier eine hohe Zufriedenheit. „Jedes Dorf hat seine eigenen Potenziale. Politik täte gut daran, diesen wissenschaftlichen Empfehlungen nicht zu folgen“, so Aeikens. Der Bund unterstütze mit verschiedenen Programmen bereits die Entwicklung des ländlichen Raums, darunter der Sachverständigenrat Ländliche Entwicklung oder das Aktionsbündnis „Leben auf dem Lande“.
Die Gründe nach Sachsen-Anhalt zurückzukehren entstehen oft in der Phase der Familiengründung, die Kinder sollen dann in der Nähe der Familie aufwachsen. Dafür werden dann auch Abstriche in der beruflichen Verwirklichung hingenommen.
Der ehemalige Astrophysiker ist jetzt Physiklehrer in Ballenstedt, seine Partnerin, die ehemals in der Wissenschaft tätige Psychologin arbeitet jetzt in einer eigenen Praxis und in der Klinik. Beide haben ihre Karrieren in der Wissenschaft schweren Herzens hinter sich gelassen.
Jana Henning konnte ihren Job von Düsseldorf sogar mit in die Heimat nehmen. Die Journalistin und Autorin des Altmark-Reiseführers „In the middle of Nüscht“ kehrte nach Osterburg in der Altmark zurück. Die entscheidende Frage auch bei ihr: Wo möchten wir unser Kind großziehen? Da gewann die Heimat, die Nähe zu Oma und Opa überzeugte. Sie betonte aber auch, Rückkehrer kämen mit anderen Ansprüchen zurück. Ohne Internet aufs Dorf zu ziehen, sei für sie keine Option gewesen.
Beim Rückkehrerpodium berichtet auch der Flugzeugmechaniker, das er wegen seiner Leidenschaft für Flugzeuge direkt nach der Schule weggezogen ist. Fast jedes Wochenende verbrachte er trotzdem in der Heimat. So konnte es nicht weitergehen, fand er und kehrte nach einer Umschulung zum Maschinenbautechniker zurück.
Der Heizungsbaulüftmeister wollte eigentlich nie weg, bei einer Arbeitslosenquote von 20 Prozent entschloss er sich 2006 dann doch zum Umzug nach München. Heute habe sich die Jobsituation verbessert und er sei zurückgehrt. Die Mentalität gefalle ihm in seiner Heimat besser, es fühle sich gemeinschaftlicher an als in der Großstadt.
Auf die Frage der Moderatorin, ob die Rückkehrer es heute noch einmal genau so machen würden, sind sich alle einig. Der Flugzeugmechaniker genieße jetzt die Ruhe ohne Fluglärm. Jana Henning fügt hinzu, dass sie ihren Schritt nicht bereut hat. Ob sie bleibt, wenn die Kinder groß sind, weiß sie noch nicht. Der Bürgermeister von Tangerhütte Andreas Brohm betont, dass das Rückkehren auch eine Art Zeitgeist ist, ein Trend, der Luxus der Leere ziehe an.
Marcus Weise teilte als Bürgermeister der 8.000-Einwohner-Stadt Harzgerode seine Erfahrungen zum Thema Rückkehr. Der Service für Rückkehrer im Rahmen des im März 2018 gestarteten Projekts „Harzgerode macht Zukunft“ wird angenommen. Die Bilanz bisher: Zuzug von fünf Familien, davon drei Familien aus anderen Regionen ohne Bezug zu Sachsen-Anhalt.
Während des Kongresstages arbeiteten 15 Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren an Ihren Zukunftsideen für Sachsen-Anhalt. Am Nachmittag stellten sie die Ergebnisse vor. Mit einem Live-Voting konnte das Publikum dann bei der Präsentation der Ergebnisse am Nachmittag abstimmen, inwieweit sie den 10 Forderungen zustimmen. Die Übereinstimmung war in den meisten Punkten hoch.
Für die Jugendlichen stehen folgende 10 Punkte ganz oben auf der Agenda:
In seinem Schlussimpuls machte Wilfried Köhler, Leiter des Referates Demografische Entwicklung und Prognosen im Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt, deutlich, wie wichtig ihm eine spezifische Jugendpolitik ist.
Gerade auch vor dem Hintergrund der abnehmenden Zahl junger Menschen in Deutschland müssten deren Interessen gehört werden, zum Beispiel in Jugendparlamenten.
Am Stand des Demografieportals konnten sich die Besucherinnen und Besucher des Kongresses über den demografischen Wandel informieren und Fragen zur Demografiepolitik des Bundes und der Länder stellen.
Welche Formen von Jugendbeteiligung können Sie sich vorstellen? Was möchten Sie noch zur Demografiepolitik des Landes Sachsen-Anhalt noch wissen? Wir freuen uns auf Ihre Fragen und Kommentare.
Yvonne Halfar und das Redaktionsteam des Demografieportals
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