Fredi Holz: „Wer Demografie erfolgreich gestalten will, kann dies nicht im stillen Kämmerlein machen.“
Die sächsische Landesregierung tauscht sich beim Umgang mit den Folgen des demografischen Wandel schon lange mit anderen Bundesländern aus, erklärt uns Fredi Holz im Interview. Als Referatsleiter für Strategische Planung, Demografie und Demoskopie in der Sächsischen Staatskanzlei koordiniert er die Demografiepolitik des Landes.
Fredi Holz
Redaktion Demografieportal: Sachsen gilt beim Diskurs um den demografischen Wandel auf Länderebene als einer der Vorreiter. Warum wurde das Thema in Sachsen so früh aufgegriffen?
Fredi Holz: Der demografische Wandel im Freistaat Sachsen ist keine allmähliche Entwicklung, sondern verläuft seit vielen Jahren rasant. Da kann man nicht einfach auf bessere Zeiten warten. Sachsen hatte 1989 knapp 5 Millionen Einwohner, heute sind es noch etwas über 4 Millionen. Vor allem, weil sich die Zahl der Geburten von über 50.000 in den Jahren vor der Wende danach mehr als halbierte, auf knapp 23.000 im Jahr 1994. Erfreulicherweise verläuft die aktuelle Entwicklung positiv – laut Statistik wurden 2015 wieder rund 36.000 Babys im Jahr geboren. Gleichzeitig gibt es mehr Sterbefälle als Geburten. Anfang der 1990er Jahre waren das rund 35.000 pro Jahr, jetzt sind es so um die 15.000. Diese demografische Entwicklung hatte akute Folgen, mit denen sich die Sächsische Staatsregierung und die sächsischen Kommunen früher als in anderen deutschen Regionen auseinandersetzen mussten.
Redaktion: Wenn Sie die Situation nach der Wende mit heute vergleichen – was hat sich aus demografischer Sicht am stärksten verändert? Und wie hat sich in dieser Zeit die Diskussion darüber gewandelt?
Holz: Anfangs war die Diskussion über den demografischen Wandel geprägt von der Diskussion über Kosten und dem Eindruck einer schicksalhaften Bedrohung. Allmählich hat sich dann die Sichtweise durchgesetzt, wonach die Anforderungen, die sich aus den Veränderungen ergeben, auch Möglichkeiten der Erneuerung bieten. Davon zeugt inzwischen eine Vielzahl an Beispielen in Sachsen. Ein aktuelles Beispiel ist die Servicestelle und integrierte Musterwohnung zum alters- und pflegegerechten Wohnen im Vogtlandkreis.
Redaktion: Sachsen ist demografisch gesehen ein Land mit starken Gegensätzen. Wie gehen Sie mit diesen großen räumlichen Disparitäten um?
Holz: Ja, eine Besonderheit für Sachsen ist, dass Alterung und Einwohnerzahl mit einer starken regionalen Differenzierung einhergehen. Folglich kann es nach dem Verständnis der sächsischen Demografiepolitik keine Blaupause oder allumfassende Strategie im Umgang mit dem demografischen Wandel geben. Vielmehr sind Lösungsansätze vor Ort mit den handelnden Akteuren einschließlich der Beteiligung der Bürger zu verfolgen. Die Sächsische Staatsregierung hat daher bereits 2007 ein Landesförderprogramm Demografie aufgelegt. Kommunen, Vereine und Verbände werden unterstützt, um kreative und innovative Ideen und passgenaue Strategien zur Gestaltung des demografischen Wandels zu entwickeln.
Redaktion: Was wurde politisch unternommen, um Sachsen in all seinen Regionen demografiefest zu machen für die Herausforderungen der Zukunft, aber auch für die Gegenwart?
Holz: Da sind einmal zu nennen die Kreis- und Funktionalreform. Sachsen hat heute nur noch zehn Landkreise und drei kreisfreie Städte. Viele Behörden wurden umstrukturiert, Zuständigkeiten zwischen Land und Kommunen neu aufgeteilt. Das war nicht leicht. Aber es hat sich gelohnt, denn die Landkreise sind jetzt stärker und handlungsfähiger als vorher. Ein weiterer Punkt ist die Einführung eines Demografietests. Danach sind alle Entscheidungen, die dem Kabinett vorgelegt werden, auf ihre demografische Relevanz und Tragfähigkeit zu prüfen.
Redaktion: Welche Maßnahmen der sächsischen Demografiepolitik können Sie noch hervorheben?
Holz: Zur aktiven Demografiepolitik in Sachsen gehört das Landesprogramm Demografie, das ich bereits erwähnt habe. Bereits im Jahr 2010 beschloss das sächsische Kabinett ein Handlungskonzept Demografie. Damit besteht für das staatliche Handeln eine gemeinsame Orientierung über längerfristige Entwicklungsziele und vorrangige Aufgaben. Derzeit wird das Konzept fortgeschrieben. Erwähnen möchte ich auch die Fortbildungsreihe für Landesbedienstete zum Thema Demografie. Dem liegt das Verständnis des ressortübergreifenden Herangehens bei der Lösungssuche zugrunde. Schließlich ein weiterer Baustein bildet der Demografiemonitor Sachsen, der strukturiert insgesamt etwa 200 demografische Kennzahlen für jede sächsische Stadt und Gemeinde kostenlos bereitstellt.
Redaktion: Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Demografiemonitor Sachsen bislang gesammelt?
Holz: Wenn ich über demografische Entwicklung ernsthaft reden will, sind fundierte statistische Kennzahlen unerlässlich. Der Demografiemonitor bietet hier ein solides Zahlenwerk. Die Reaktionen von kommunalen Vertretern aber auch Wissenschaftlern und interessierten Bürgern fallen sehr positiv aus.
Redaktion: Welche Kooperationen bestehen mit anderen Bundesländern, um die gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen beim demografischen Wandel gemeinsam anzugehen?
Holz: Bereits im Februar 2007 hat Sachsen eine Demografiepartnerschaft mit Hessen geschlossen. Schon fast Tradition ist das Treffen der beiden interministeriellen Arbeitsgruppen. Der Austausch von Ideen und Erfahrungen ist für beide Seiten immer ein Gewinn. Das gilt auch für die Zusammenarbeit der mitteldeutschen Länder, um gemeinsam den demografischen Wandel zu gestalten. Vor sieben Jahren haben die damaligen Demografieminister in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen eine Erklärung verabschiedet. Auf dieser Grundlage arbeiten die drei Länder seitdem intensiv zusammen. So haben wir beispielsweise eine länderübergreifende kommunale Innovationspartnerschaft, ein Netzwerk mit neun Städten ins Leben gerufen. Des Weiteren finden regelmäßig Gespräche auf Arbeitsebene statt. Auch bei der Demografiestrategie des Bundes haben die drei mitteldeutschen Länder sich gemeinsam eingebracht.
Redaktion: Sachsen gilt auch immer als das Land der Tüftler und der Innovationen. Welche Rolle kann die Digitalisierung dabei spielen, das Leben in einer alternden Gesellschaft zu vereinfachen?
Holz: Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten mit Blick auf die alternde Gesellschaft. Sie kann einen Beitrag leisten, um Herausforderungen abzufedern und Lebensqualität zu erhöhen. Digitale Technologien können einen höheren Grad an Selbstbestimmung im Alter ermöglichen. Ich denke da an altersgerechte Assistenzsysteme. Ältere Menschen können durch im Haushalt installierte Sensoren unterstützt werden oder bei auffälligem Verhalten rechtzeitig Hilfe erhalten. Das Leben in vertrautem Umfeld ist so länger möglich. Weitere Chancen liegen in der Telemedizin aber auch allgemein in der digitalen Teilhabe, die zur Erleichterung bei Kommunikation und Dienstleistungen für Ältere beitragen kann.
Redaktion: Was macht Sie zuversichtlich, dass der demografische Wandel auch eine Chance für das Bundesland Sachsen darstellen kann?
Holz: Nicht der demografische Wandel, sondern die Art und Weise, wie dieser angepackt wird, entscheiden letztlich über die Zukunftsfähigkeit und die Lebensqualität einer Region. In Sachsen bildet die Erkenntnis, dass in jedem Wandel auch Chancen liegen, die Grundlage für den Umgang mit dem demografischen Wandel. Wer Demografie erfolgreich gestalten will, kann dies nicht im stillen Kämmerlein machen. Es bedarf des Darüber-Sprechens, der Ermutigung, des Machens und Mitmachens. Die aktive Demografiepolitik und der Ideenreichtum der Menschen in Sachsen stimmen mich da zuversichtlich.
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