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Ein wesentliches Ziel der Raumordnung ist es, gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen Deutschlands herzustellen. Ohne eine ausreichende Daseinsvorsorge kann dies nicht gelingen. Der Raumordnungsbericht 2017 der Bundesregierung ist erstmals auf das Thema „Daseinsvorsorge“ fokussiert. Neben demografischen Entwicklungstrends werden zehn zentrale Bereiche der Versorgung der Bevölkerung vor Ort und ihre Herausforderungen bis 2035 beschrieben.
Dabei wirft der Bericht alltägliche Fragen auf, die Menschen ganz konkret in ihrem Alltag betrifft: Wie weit ist es bis zum nächsten Krankenhaus? Werde ich in meiner ländlichen Region die Wasserver- und Abwasserentsorgung in Zukunft noch bezahlen können? Und habe ich schnelles Internet?
Die Bundesregierung ist gesetzlich verpflichtet, dem Deutschen Bundestag regelmäßig über die räumliche Entwicklung im Bundesgebiet und seinen Regionen zu berichten. Dazu erstellt das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur einen Raumordnungsbericht. Der vorherige Bericht ist 2011 erschienen.
Die Bevölkerung Deutschlands ist aufgrund internationaler Zuwanderung angewachsen. Ende 2015 lebten hier 82,2 Millionen Menschen, knapp zwei Millionen mehr als im Jahr 1990. Den größten Zuwachs haben Großstädte und Ballungsräume erlebt. Viele ländliche Regionen verzeichneten hingegen einen Bevölkerungsrückgang.
Während die Altersstruktur der Großstädte in West- und Ostdeutschland meist stabil bleibt, nimmt die Alterung im städtischen Umland und dem ländlichen Raum zu. Die größten Veränderungen sind bei der Altersgruppe der über 80-Jährigen zu erwarten. Bis 2035 wird es sieben Millionen Menschen geben, die über 80 Jahre alt sind; für fast alle Regionen bedeutet dies einen Zuwachs von 50 Prozent.
Heute sind 68 der 401 Kreise in Deutschland „dünn besiedelt“, das heißt in ihnen leben weniger als 100 Einwohner pro Quadratkilometer. Derzeit sind dies 11,6 Millionen Menschen. Schaut man in die Zukunft, so könnte bis 2035 jeder zweite Kreis in den neuen Bundesländern (45 Kreise) dieser Kategorie angehören, in den alten Bundesländern jeder siebte Kreis (51 Kreise).
Rückgang, Abwanderung und Alterung der Bevölkerung führen dazu, dass die Herausforderungen bei der Sicherung der Daseinsvorsorge größer werden. Bedingt durch den demografischen Wandel werden die derzeit bestehenden regionalen Unterschiede in der Versorgung der Menschen bis 2035 noch steigen. Die Ergebnisse des Berichts zeigen aber auch: Deutschland steht im internationalen Vergleich bei der Daseinsvorsorge gut da.
Daseinsvorsorge bedeutet, Menschen mit Dienstleistungen und Gütern des täglichen Bedarfs zu versorgen. Ihre Sicherstellung in allen Regionen Deutschlands ist ein wichtiges Ziel der Bundesregierung.
Im Raumordnungsbericht werden Mobilität, digitale Daseinsvorsorge und zehn zentrale Handlungsfelder der Daseinsvorsorge analysiert:
Soziale Infrastruktur:
Technische Infrastruktur:
Je nach der demografischen Betroffenheit und der wirtschaftlichen Entwicklung einer Region ergeben sich unterschiedliche Erfordernisse bei der Sicherung der Daseinsvorsorge. Sie reichen von zusätzlichen Angeboten im Bereich Gesundheit und Pflege, Bildung und Integration über Breitbandversorgung, neuer Mobilitätskonzepte und Neuausrichtung des ÖPNV bis hin zur Anpassung vorhandener Standortstrukturen.
Insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern ist der demografisch bedingte Handlungsbedarf bei der Daseinsvorsorge hoch. „Zentrale Orte“ helfen bei der nahen Grundversorgung der Bevölkerung mit technischer und sozialer Infrastruktur. Krankenhäuser, Schulen und Abfallentsorgung sind überwiegend in sogenannten Ober- und Mittelzentren konzentriert. Die Karte bietet einen Überblick, wie es um die gegenwärtige und zukünftig zu erwartende Tragfähigkeit der Daseinsvorsorge von Mittel- und Oberzentren steht. Insbesondere die Sicherung der Erreichbarkeit bei Schulen, der Gesundheitsversorgung oder dem Brandschutz wird zur zentralen Herausforderung.
Grundsätzlich gibt es drei raumordnungspolitische Zieldimensionen, die in den einzelnen Handlungsfeldern der Daseinsvorsorge angestrebt werden können:
Rund 95 Prozent der bundesweiten Bevölkerung erreichen den nächsten Krankenhausstandort in maximal 20 Minuten mit dem Auto. In einzelnen dünn besiedelten Gebieten muss die Bevölkerung eine Anfahrtszeit von mehr als 30 Minuten in Kauf nehmen. Dies betrifft bundesweit insgesamt rund 300.000 Einwohner.
Wegfall-Szenario: Fiele der jeweils nächstgelegene Klinikstandort weg würde der PKW-Anfahrtsweg vor allem für die Bevölkerung in ländlichen Gebieten über 20 Minuten betragen. Bundesweit wäre davon rund ein Drittel der Bevölkerung betroffen. Setzt man eine Schwelle bei 30 Minuten, so wären rund 5 Prozent der Bundesbürger betroffen. Umgekehrt gibt es aber auch Regionen, in denen eine Schließung beziehungsweise eine Fusion von Standorten durchaus möglich wäre, ohne die Erreichbarkeit von Grundversorgern zu gefährden. Dies betrifft vor allem die städtischen Regionen und Räume mit stärkerer Besiedlung.
Der tägliche Pro-Kopf-Wasserverbrauch ist seit 1990 von 147 Liter auf bundesweit durchschnittlich 121 Liter im Jahr 2013 zurückgegangen. Regionaler Bevölkerungsrückgang und Abnahme des individuellen Wasserverbrauchs haben eine Unterauslastung der Wasserver- und Abwasserentsorgung und steigende Kosten für die Verbraucher zur Folge.
Stellt man die durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauchszahlen aus dem Jahr 2013 den prognostizierten Einwohnerzahlen nach der Raumordnungsprognose 2035 gegenüber, sind demografische Auswirkungen auf die regionale Auslastung der Trinkwasserversorgung erkennbar. Die größten Verbrauchsrückgänge bis 2035 sind für die Regionen zu erwarten, die bereits zuvor einen starken Verbrauchsrückgang hatten und eine niedrige Wasserabgabe je Einwohner aufweisen. Dies gilt vor allem für ostdeutsche Regionen.
Vor allem in strukturschwächeren Regionen ist schnelles Breitband nur schlecht verfügbar. Davon betroffen sind insbesondere ostdeutsche Kommunen, aber auch ländliche Gebiete in Westdeutschland wie die Eifel, Nordhessen, Niederbayern und das nördliche Schleswig-Holstein. Hohe Anschlusskosten und geringe Nachfrage haben zur Folge, dass sich der Ausbau wirtschaftlich weniger lohnt. Über Breitbandnetze von 50 Mbit/s sind 75 Prozent der Bevölkerung versorgt. In Großstädten liegt der Versorgungsgrad bei nahezu 90 Prozent, in strukturschwachen Räumen nur bei 31 Prozent.
Eine gute digitale Infrastruktur im ländlichen Raum bietet vielfältige Möglichkeiten, Angebote der regionalen Daseinsvorsorge zu sichern. Wie einzelne Pilotvorhaben zeigen, liegen die Potenziale digitaler Lösungen insbesondere bei Gesundheit, Pflege, Bildung oder bei Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung.
Nicht alle Bereiche können gleichermaßen stark profitieren. So werden in der Ver- und Entsorgung (Energie, Wasser, Abfall- und Abwasserentsorgung) verstärkt digitale Technologien eingesetzt, allerdings eher zur Prozessoptimierung. Im Bereich der Mobilität (ÖPNV) wiederum können digitale Dienstleistungen zu einer Optimierung und Kostensenkung von Verkehrsangeboten in dünn besiedelten Räumen beitragen. Mit der Verabschiedung des E-Health Gesetzes Ende 2015 wird die digitale Vernetzung im Gesundheitswesen gefördert.
Grundsätzlich ist es Aufgabe der Länder und Kommunen, die Daseinsvorsorge zu sichern und so für gleichwertige Lebensverhältnisse in den Regionen zu sorgen.
Die Bundesregierung unter unterstützt Kommunen und Länder unter anderem mit folgenden Aktionsprogrammen bei ihrer Aufgabe:
Darüber hinaus berichtet die Bundesregierung über die Auswirkungen des demografischen Wandels. Zuletzt hat sie im Februar 2017 ihre demografiepolitische Bilanz zu Trends für die Gestaltung des demografischen Wandels in verschiedenen Politikfeldern und den ergriffenenen Maßnahmen vorgelegt.
Bei der Umsetzung der Daseinsvorsorge sind viele Verantwortliche beteiligt – Bund, Länder, Kommunen, unternehmerische, öffentliche und ehrenamtliche Akteure. Um alle Regionen gleichermaßen zu versorgen, müssen Beteiligte künftig besser kooperieren und Maßnahmen bedarfsgerechter aufeinander abstimmen.
Es wird empfohlen, die aus ersten Modellprojekten gewonnenen Erfahrungen auf Projekte in weiteren Regionen zu übertragen und finanziell zu unterstützen. Der Aufbau regionaler Netzwerke kann dem kontinuierlichen Wissenstransfer dienen. Landes- und Regionalplanung sind darüber hinaus gefordert, sich intensiver und inhaltlich umfassender als bisher mit den einzelnen Handlungsfeldern der Daseinsvorsorge auseinanderzusetzen.
Eine der grundlegenden Forschungsaufgaben sollte auch zukünftig die Erstellung von Bevölkerungsprognosen sein. Die Beobachtung der regionale Bevölkerungsverteilung und -entwicklung und deren Wirtschaftsstruktur sind maßgeblich entscheidend für die Bedarfsermittlung.
Wie ist es um die Daseinsvorsorge in Ihrer Region bestellt? Berichten Sie von Ihren Erfahrungen!
Ulrike Brunner, Yvonne Halfar und das Redaktionsteam des Demografieportals
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