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Auf dem Demografieportal fand vom 22. Februar bis 14. März 2017 zum ersten Mal eine Online-Umfrage zur Demografiepolitik der Bundesregierung statt. Insgesamt 542 Personen beteiligten sich im dreiwöchigen Umfragezeitraum. Den Rahmen der Umfrage bildete die am 1. Februar veröffentlichte demografiepolitische Bilanz der Bundesregierung zum Ende der 18. Legislaturperiode. Die Ergebnisse der Umfrage sind nicht repräsentativ, bieten aber ein Stimmungsbild der am Thema interessierten Personen. Für die nachfolgende Zusammenfassung wurden insgesamt 966 Antworten ausgewertet.
Ziel war es, Interessierten im Vorfeld des Demografiegipfels am 16. März in Berlin eine Möglichkeit zu bieten, ihre Meinung zu den 13 Handlungsfeldern der Bilanz und den umgesetzten Maßnahmen der Bundesregierung zu äußern. Darüber hinaus konnten Erwartungen an die Demografiepolitik in der nächsten Legislaturperiode genannt werden.
Den Auftakt für die Umfrage bildete ein Interview mit Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière auf dem Demografieportal zu den Fortschritten in der Demografiepolitik. Darin bekundete de Maizière als Gastgeber des Demografiegipfels sein Interesse an guten Ideen. Denn: Auch Vorschläge und Meinungen interessierter Bürgerinnen und Bürger sollten seiner Meinung nach Eingang in die demografiepolitische Diskussion finden. Die Umfrage zur Demografiepolitik ist Teil des Dialogprozesses zur Demografiestrategie der Bundesregierung, der auf dem Demografieportal seit dem ersten Demografiegipfel im Oktober 2012 mit Online-Dialogen begleitet wird.
Die Umfrage bestand aus folgenden Fragen:
1a) Welches der in der demografiepolitischen Bilanz der Bundesregierung dargestellten Handlungsfelder ist Ihnen am Wichtigsten?
1b) Aus welchen Gründen ist Ihnen dieses Handlungsfeld beziehungsweise sind Ihnen diese Handlungsfelder besonders wichtig?
2) Welche demografiepolitische Maßnahme der Bundesregierung ist aus Ihrer Sicht besonders erfolgreich?
3) Worauf sollte die Bundesregierung in der nächsten Legislaturperiode ihren demografiepolitischen Schwerpunkt legen?
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten zunächst bei Frage 1a unter den 13 Handlungsfeldern eines oder mehrere auswählen. Nur diese Frage war eine Pflichtfrage. Im Anschluss konnten optional die offenen Fragen 1b, 2 und 3 im Freitext beantwortet werden. Die Konzipierung als offene Fragen ermöglichte ein vielfältiges Meinungsspektrum. Die Antworten zu den offenen Fragen wurden vor der Freischaltung durch die Redaktion des Demografieportals auf die Einhaltung von Kommunikationsregeln geprüft. So wurden beispielsweise Antworten mit rassistischen oder beleidigenden Inhalten gesperrt. Die Beteiligung an der Umfrage war anonym und ohne Registrierung möglich, um ein niedrigschwelliges Beteiligungsangebot zu schaffen. Nach der Teilnahme wurde der jeweiligen Person sofort das bisherige Umfrageergebnis angezeigt. Das Ergebnis ist nicht repräsentativ, gibt aber einen interessanten Einblick in die Meinungen der breiten Öffentlichkeit. Eine Mehrfachteilnahme konnte nicht ausgeschlossen werden.
Im Ergebnis zeigt sich, dass die Bereiche Bildung, soziale Sicherung im Alter und Vereinbarkeit von Familie und Beruf als wichtigste Handlungsfelder gesehen werden. Erfolge in der Demografiepolitik gibt es laut den Teilnehmerinnen und Teilnehmern insbesondere bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. (Anmerkung der Redaktion: Um die Lesbarkeit zu vereinfachen, wird im Folgenden von Teilnehmern gesprochen. Es sind aber immer beide Geschlechter gemeint.)
Mit Blick auf die Zukunft der Demografiepolitik empfehlen die Teilnehmer der Bundesregierung am häufigsten, den Schwerpunkt auf die Zuwanderung und Integration von Flüchtlingen zu legen. Darauf folgen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Bildung als wichtige Zukunftsthemen. In den Antworten wird deutlich, dass viele Teilnehmer gleich mehrere Handlungsfelder als wichtig erachten und so ein umfassendes Verständnis von Demografiepolitik ähnlich wie die Bundesregierung haben.
Bildung wird von 59 Prozent der Teilnehmer als wichtigstes Handlungsfeld der Demografiepolitik gesehen, gefolgt von der sozialen Sicherung im Alter (44 Prozent) und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf (43 Prozent). Mehr als ein Drittel der Teilnehmer der Umfrage sehen die Zuwanderung und Integration von Flüchtlingen als wichtigstes Handlungsfeld. An fünfter Stelle wird der Politikbereich der soliden und zukunftsorientierten öffentliche Finanzen (31 Prozent) genannt. Für am wenigsten relevant erachten die Umfrageteilnehmer die gleichwertigen regionalen Lebensverhältnisse (18 Prozent) und das bürgerschaftliche Engagement (17 Prozent).
Das Handlungsfeld „Bildung“ wurde in den 307 Antworten zu Frage 1b „Aus welchen Gründen ist Ihnen dieses Handlungsfeld beziehungsweise sind Ihnen diese Handlungsfelder besonders wichtig?“ am häufigsten begründet. In einer Antwort wurden häufig mehrere Handlungsfelder begründet, deswegen übersteigt die Anzahl der Nennungen die Anzahl der Antworten.
Für Bildung als wichtigstes Handlungsfeld der Demografiepolitik spricht laut der Umfrageteilnehmer insbesondere der Wert von Bildung als Grundlage für eine starke und zukunftsfähige Gesellschaft. Ohne Bildung keine Zukunft. Dies wurde am häufigsten betont. Bildung auch im Sinne von guter Erziehung führe zu einem besseren gesellschaftlichen Miteinander und mehr Toleranz. Von Bildung wird sich in diesem Sinne auch die selbstbestimmte Lebensführung der Erwachsenen von morgen versprochen, beispielsweise durch lebenslanges Lernen.
„Gut gebildete junge Menschen kommen automatisch besser im Leben zurecht, brauchen weniger Unterstützung vom Staat und sind in der Lage die Gesellschaft selbst zum positiven zu bewegen.“ 24.02.2017 um 14:14 Uhr
Bildung wird außerdem als wichtig für den Zugang zum Arbeitsmarkt gesehen. In den Antworten wird nicht nur auf die Bedeutung der Bildung für den Einzelnen hingewiesen, sondern ihr auch ein hoher Stellenwert für die wirtschaftliche Entwicklung, Wettbewerbsfähigkeit und Sicherung des gesellschaftlichen Wohlstands zugewiesen.
Vereinzelt wurde Kritik am derzeitigen Zustand des Bildungssystems geäußert und auf Beispiele wie marode Schulen oder die Ungleichheit von Schulabschlüssen im föderalen System hingewiesen.
„Das Schulsystem ist immer noch aus dem 19. Jahrhundert. Auch öffentliche Schulen müssen endlich bereits seit Jahrzehnten bekannte und bestätigte wissenschaftliche Erkenntnisse über das Lernen umsetzen, Lehrkräfte weniger fachlich und mehr pädagogisch/didaktisch geschult werden.“ 23.02.2017 um 16:21 Uhr
Die zweithäufigsten Antworten der Teilnehmer bezogen sich auf das Handlungsfeld Zuwanderung und Integration von Flüchtlingen. Befürchtungen vor den Auswirkungen der Flüchtlingspolitik wurden in vielen Antworten deutlich. Einige davon sind mit einem Aufruf der „Identitären Bewegung“ – einer unter Beobachtung des Verfassungschutzes stehende Bewegung der „Neuen Rechten“ – auf Facebook am 14. März 2017 zu erklären.
„Beobachtet wird ein Wandel der Gesellschaft hin zu einer Überfremdung im eigenen Land sowie der Verlust der gesellschaftlichen Werte, Kultur und Tradition. Des Weiteren werden sinkende Löhne am Rande des Mindestlohns sowie eine steigende Zahl der Sozialhilfeempfänger (welche nicht in die Sozialversicherungen einbezahlt haben) befürchtet. 14.03.2017 um 19:34 Uhr
Es gab aber auch zahlreiche Vorschläge, die Zuwanderung als Chance sehen: zum einen für die Lösung demografischer Probleme, zum anderen für die Fachkräftesicherung beispielsweise in der Pflege. So wird eine Arbeitserlaubnis für alle Flüchtlinge – unabhängig vom Status ihres Asylvorhabens – vorgeschlagen.
„Die Bundesregierung sollte umgehend aufhören, Integration zu behindern, indem sie gut integrierte Flüchtlinge bzw. solche, die sich darum bemühen, abschiebt und die Arbeit aller, die für eine gelungene Integration arbeiten, ständig torpediert und zunichte macht.“ 01.03.2017 um 12:13 Uhr
Deutlich wurde in den Antworten der Wunsch nach einer verbindlichen Zuwanderungspolitik, auch um Missbrauch durch Wirtschaftsflüchtlinge zu verhindern. Häufig wird auf Kanada als Vorbild bei der Einwanderungspolitik mit seinen „klaren Aufnahmekriterien und -anforderungen“ verwiesen.
„Klare Regeln und eine klare Umsetzung der Zuwanderung ist aber gerade aufgrund der großen Ressentiments einiger Bevölkerungsgruppen und auch zum Wohl der Migranten sehr wichtig. Sie sollen wissen, wo sie bei uns dran sind.“ 22.02.2017 um 08:17 Uhr
Mit Blick auf die hohen Zuwanderungszahlen wird ferner auf die wichtige Rolle von Integration hingewiesen. Dies ist laut den Umfrageteilnehmern wichtig für den Zusammenhalt in der Gesellschaft.
Unter allen 13 Handlungsfeldern wurde die Vereinbarkeit von Familie und Beruf von den Teilnehmern am dritthäufigsten begründet. Die Antworten bezogen sich in den meisten Fällen auf die finanzielle Unterstützung von Familien.
„Familien müssen gefördert werden, es muss wieder möglich sein, mit einem Einkommen eine Familie eine Zeitlang zu ernähren. Es gibt kaum Sicherheiten für junge Menschen, sie taumeln von einem ins nächste befristete Arbeitsverhältnis, die Gründung von Familien wird somit erschwert.“ 23.02.2017 um 16:30 Uhr
Der Fokus auf dieses Handlungsfeld wird aber auch als wichtig eingeschätzt, damit wieder mehr Kinder geboren werden. Es erleichtere womöglich eine zukunftssichere Familienplanung. Auf die Dauer könnte es dazu führen, dass Paare sich wieder eher und für mehr Kinder entscheiden.
Die Auswahl für das Handlungsfeld „Soziale Sicherung im Alter“ wird vorrangig mit der Verhinderung von Altersarmut begründet. Für das Befassen mit diesem Handlungsfeld spricht laut den Teilnehmern auch der Wunsch nach einem gutem und finanziell abgesicherten Leben im Alter mit angemessener Rente.
Die soziale Sicherung im Alter wird darüber hinaus als wichtig angesehen aufgrund der Folgen des demografischen Wandels, der mit mehr Älteren und einer steigenden Lebenserwartung einhergeht. Hinzu kommt die Sorge um gesellschaftliche Spannungen aufgrund sozialer Ungleichheiten. Handlungsbedarf wird beispielsweise in der zukunftsfähigen und generationengerechten Gestaltung des Rentensystems gesehen.
„Soziale Sicherung im Alter ist mir wichtig, da ich gerne von der Rente leben will, für die ich jahrzehntelang gearbeitet habe, das erwarte ich als Bürger von dem Staat, an den ich meine Steuern bezahlt habe.“ 26.02.2017 um 21:26 Uhr
In insgesamt 296 Antworten bezogen die Teilnehmer Stellung zur Frage 2 „Welche demografiepolitische Maßnahme der Bundesregierung ist aus Ihrer Sicht besonders erfolgreich?“. Davon konnten sich 108 Antworten auf keine Maßnahme festlegen, 188 Antworten bezogen sich auf erfolgreich wahrgenommene Maßnahmen.
Folgende fünf Handlungsfelder haben laut den Teilnehmern am häufigsten Erfolge erzielt:
Konkret nannten die Teilnehmer vor allem Maßnahmen, die zur Stärkung und Unterstützung von Familien beitragen. Dazu zählen zum Beispiel der Kita-Ausbau, flexible Arbeitszeitmodelle und die Elternzeit. Das Elterngeld wurde oft von den Teilnehmern als konkrete erfolgreiche demografiepolitische Maßnahme genannt.
„Elterngeld. Viele meiner Freundinnen bekommen nur Kinder, weil sie wissen, dass sie ein Jahr lang abgesichert sind (…).“ 27.02.2017 um 15:39 Uhr
Viele sehen in der Zuwanderung der letzten Jahre vor allem eine Chance für den deutschen Arbeitsmarkt. Andere betonen, dass die Zuwanderung dem demografischen Wandel entgegenwirken wird.
„Flüchtlingsaufnahme (mehr oder weniger freiwillig): Hier wurde aus humanitären Gesichtspunkten gehandelt bei der Aufnahme von Flüchtlingen, aber dies sollte durchaus dem demographischen Wandel ein wenig entgegen wirken.“ 03.03.2017 um 11:28 Uhr
Besonders viele Antworten im Handlungsfeld „Sicherung der Pflege“ betonten den Erfolg der Pflegestärkungsgesetze.
„Die neuen Pflegestärkungsgesetze weisen einen wichtigen Weg in der Stärkung und Unterstützung der häuslichen Pflege auf. Die Unterstützung der Kommunen in Pflegefragen vor Ort sehe ich als Chance in präventiver Infrastrukturplanung in Sachen Pflege.“ 02.03.2017 um 17:23 Uhr
Bei der Frage 3 „Worauf sollte die Bundesregierung in der nächsten Legislaturperiode ihren demografiepolitischen Schwerpunkt legen?“ sollte die Politik laut den Teilnehmern der Umfrage einen besonderen Schwerpunkt auf die Zuwanderung und Integration von Flüchtlingen legen. In den Antworten betonen insgesamt viele Teilnehmer die Schwierigkeit, sich auf nur einen Schwerpunkt festzulegen und nennen mehrere Handlungsfelder.
Als Top 5 der wichtigsten Handlungsfelder für die nächste Legislaturperiode sehen die Umfrageteilnehmer folgende:
Besonders oft wurde der Wunsch geäußert, die Zuwanderung zu begrenzen und zu kontrollieren, beispielsweise durch einen strengeren Umgang mit Wirtschaftsflüchtlingen oder vermehrten Abschiebungen. Aber auch das Thema Integration wird als wichtiges Zukunftsthema gesehen, sowohl durch allgemein verstärkte Maßnahmen als auch konkret durch Bildung und Eintritt in den Arbeitsmarkt.
„Sie sollte ihren Schwerpunkt auf die Zuwanderung und Integration von geflüchteten Menschen setzen. Gerade in Bezug auf ihre Vorkenntnisse und beruflichen Erfahrungen sollte es ihnen ermöglicht werden auch hier in Deutschland ihre erlernten Berufe ausüben zu können. […]“ 13.03.2017 um 19:50 Uhr
Eine weitere mehrfach erwähnte Forderung ist die Schaffung eines Einwanderungsgesetzes:
„Ein Einwanderungsgesetz ist notwendig. Das Asylrecht als einzige Möglichkeit der Zuwanderung (wenn man nicht gerade einen Doktortitel oder ähnliches hat) führt zu riesigen Problemen, wird aber den Migrationsdruck nicht vermindern. [….]“ 02.03.2017 um 11:01 Uhr
Obwohl die Teilnehmer die Maßnahmen zur Vereinbarkeit als erfolgreich bewerten, wird für diesen Bereich auch Handlungsbedarf für die Zukunft gesehen. Die politische Stärkung und Förderung von Familien wurde dabei am häufigsten genannt.
Konkrete Vorschläge beziehen sich hier zum Beispiel auf die Einführung eines Familienwahlrechts. Zwei weitere gleich stark besprochene Themen für die Zukunft in diesem Handlungsfeld waren die steuerliche und finanzielle Unterstützung von Familien zum Beispiel durch Familiensplitting und die Unterstützung von Familiengründungen etwa durch Imagekampagnen für mehr Nachwuchs nach dem Vorbild Dänemarks.
Alle Umfrageergebnisse können weiterhin nachgelesen werden.
Der Blog-Beitrag ist in ähnlicher Form in der Zeitschrift Bevölkerungsforschung Aktuell erschienen: Eich, Yvonne; Vestweber, Caroline und Schlenk, Magdalena (2017): Umfrage zur Demografiepolitik der Bundesregierung – Zusammenfassung der Ergebnisse. In: Bevölkerungsforschung Aktuell 38,2: 11-19.
Yvonne Eich und das Redaktionsteam des Demografieportals
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