Was bedeutet das Engagement Älterer für den Zusammenhalt von Jung und Alt?
Im Interview spricht der Soziologe Dr. Andreas Mergenthaler über die Chancen gesellschaftlicher Teilhabe älterer Menschen. Am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung untersucht er vor dem Hintergrund der demografischen Alterung Fragestellungen zu den Potenzialen des Alter(n)s. Bei der Veranstaltung „Dialog an Deck“ des Wissenschaftsjahres 2013 „Die demografische Chance“ diskutierte er mit Bürgern und Experten am 4. August 2013 zu dem Thema „Nur noch freie Zeit? Engagement statt Ruhestand“.
Dr. Andreas Mergenthaler diskutiert zum Thema „Nur noch freie Zeit? Engagement statt Ruhestand“
Wie hat sich das Leben im Ruhestand der heutigen Älteren verändert?
Im Vergleich zu früheren Jahrgängen hat sich das Leben im Alter allein schon dadurch verändert, dass die Lebenserwartung gestiegen ist. Die Zunahme der Lebenserwartung ist jedoch kein guter Indikator für die Qualität der gewonnenen Jahre. Hierzu wird in der Wissenschaft die sogenannte „Gesundheitserwartung“ verwendet. Sie bezeichnet die geschätzte Zahl der Jahre, die Menschen ab einem gewissen Alter in einer guten körperlichen oder psychischen Gesundheit erleben können. Die Gesundheitserwartung ist in den letzten Jahren leicht gestiegen. 2010 betrug sie für einen 65-jährigen Deutschen rund sieben Jahre. Dieser Zugewinn an gesunder Lebenszeit stellt demnach eines der grundlegendsten Potenziale alter Menschen dar.
Ältere Menschen verfügen zudem über größere Ressourcen als frühere Jahrgänge. Sie sind u. a. wohlhabender und besser gebildet. Vor diesem Hintergrund wandelt sich in der Gesellschaft als auch bei den alternden Menschen selber das Bild des Alters. Senioren werden heute nicht mehr ausschließlich als hilfsbedürftig oder als Belastung für die sozialen Sicherungssysteme gesehen, sondern als aktive Bürgerinnen und Bürger, die sich auch nach dem Eintritt in den Ruhestandes in der Wirtschaft oder der Zivilgesellschaft engagieren und somit zum Zusammenhalt der Generationen beitragen. Somit stellen die Fähigkeiten älterer Menschen eine entscheidende Voraussetzung für die Bewältigung der Herausforderungen des demografischen Wandels dar.
In welchen Bereichen sind ältere Menschen engagiert?
Ältere Menschen sind heute in verschiedenen Bereichen in Wirtschaft, Gesellschaft und Familie engagiert. So ist seit einigen Jahren ein Anstieg von Menschen über 65 Jahren zu beobachten, die auch im Altersruhestand einer Erwerbsarbeit nachgehen. Im Jahre 2011 betrug deren Anteil bei den Männern knapp 13 %, bei den Frauen rund 7 %. Die meisten der Beschäftigten im Rentenalter arbeiten jedoch nicht mehr Vollzeit, sondern in verschiedenen Graden der Teilzeitbeschäftigung. Erwerbsarbeit im Ruhestand muss nicht Ausdruck von Autonomie und Selbstverwirklichung der „jungen Alten“ sein. So gibt es auch Ruheständler, die einer Erwerbsarbeit nachgehen müssen, um Altersarmut zu entgehen.
Ein weiterer Bereich, in dem ältere Menschen tätig sind, ist das bürgerschaftliche Engagement. Hier ist zu beobachten, dass das freiwillige Engagement in Vereinen, Verbänden und Parteien oder auch im sozialen Netzwerk der Älteren in den letzten Jahren zugenommen hat. So stieg der Anteil der freiwillig Engagierten bei den über 65-Jährigen von 23 % im Jahre 1999 auf 28 % im Jahre 2009. Auch innerhalb der Familie sind ältere auf unterschiedliche Weise engagiert, sei es in der Kinder- und Enkelbetreuung oder in der Pflege von Angehörigen.
Welche Beweggründe stehen hinter dem Engagement?
Die Einflüsse auf das Engagement älterer Menschen sind vielschichtig. So spielen individuelle Motive und Ressourcen ebenso eine Rolle wie kulturelle, gesellschaftliche und ökonomische Rahmenbedingungen. Beweggründe für ein Engagement im Rentenalter, die von den betroffenen regelmäßig angeführt werden, sind das Pflegen sozialer Kontakte, das Erfahren von Bestätigung und Anerkennung der eigenen Leistung, etwas Neues hinzuzulernen oder bestehendes Wissen und Fähigkeiten an Jüngere weiterzugeben. Der letztgenannte Aspekt bezeichnet die sogenannte „Generativität“ und ist gerade für das höhere Lebensalter eine typische Motivation, sich auch im Ruhestandsalter in Wirtschaft und Gesellschaft einzubringen. Neben solchen altruistischen Motiven werden Tätigkeiten im Alter aber auch oftmals gepflegt, um die eigene Gesundheit und Lebensqualität zu fördern.
Was bedeuten die neuen Formen des bürgerschaftlichen Engagements für den Zusammenhalt zwischen Jung und Alt?
Neuere Formen des bürgerschaftliches Engagements wie z. B. die Netzwerkhilfe sind ebenso wie das klassische Ehrenamt wesentliche Bausteine eines funktionierenden und solidarischen Gemeinwesens. Sie können im intergenerationalen Zusammenhang den Zusammenhalt zwischen Jung und Alt stärken, indem ältere Menschen ihre Kompetenzen und zeitlichen Ressourcen einsetzen, um Jüngere vor allem in der „Rushhour des Lebens“ zu entlasten. Gelebtes Engagement älterer Menschen leistet auch einen Beitrag zum Abbau von Ängsten, die mit den Bedrohungsszenarien des demografischen Wandels verbunden sind. Wenn jüngere Menschen sehen, welche Potenziale das Alter bietet, bietet dies nicht zuletzt auch ein positives Leitbild für das eigene Altern.
Auch in unserem kürzlich abgeschlossenen Online-Dialog ging es um die Frage wie der Zusammenhalt zwischen Jung und Alt gelingen kann. Welche Erwartungen haben Ältere an Jüngere und umgekehrt? Wie können die Generationen füreinander Verantwortung übernehmen? Lesen Sie selbst!
Yvonne Eich und die Redaktion des Demografieportals
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