Der demografische Wandel stellt für Thüringen bereits heute gelebte Realität dar. Bevölkerungsrückgang, Alterung und Internationalisierung kennzeichnen dabei die demografische Entwicklung des Freistaats.
Seit dem Jahr 2000 hat die Bevölkerungszahl im Freistaat um circa 300.000 Personen (–12,5 Prozent) abgenommen. Lediglich in den Jahren 2015 und 2022 konnte Thüringen durch den Zuzug von Schutzsuchenden aus dem Ausland einen leichten Bevölkerungszuwachs erzielen, der den generellen demografischen Trend jedoch nicht umgekehrt, sondern lediglich etwas verlangsamt hat. Diese Entwicklung wird sich gemäß der 3. regionalisierten Bevölkerungsvorausberechnung des Thüringer Landesamts für Statistik (TLS) auch in den kommenden Jahren fortsetzen. Bis 2042 wird mit einem Bevölkerungsrückgang um weitere circa 200.000 Personen gerechnet.
Trotz allem sind die demografischen Prozesse in Thüringen räumlich differenziert zu betrachten – denn der Bevölkerungsschrumpfung vor allem in den peripher gelegenen Landkreisen stand in den vergangenen Jahren ein moderates Bevölkerungswachstum in einigen kreisfreien Städten gegenüber.
Gesellschaftliche Umwälzungen nach 1990 prägend für demografische Situation
Die demografisch herausfordernde Situation in Thüringen liegt maßgeblich in den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen nach der Wiedervereinigung begründet. Diese führten zu einem starken Geburtenrückgang Anfang der 1990er Jahre sowie erheblichen Wanderungsverlusten gegenüber den westdeutschen Bundesländern.
Im Ergebnis ist festzustellen, dass im Freistaat in jedem Jahr deutlich mehr Menschen gestorben sind als Kinder geboren wurden (negativer natürlicher Saldo). Nach dem Einbruch der Zahl der Geburten Anfang der 1990er Jahre ist die zusammengefasste Geburtenziffer, also die durchschnittliche Kinderzahl je Frau, in Thüringen in der Folgezeit wieder angestiegen und hat sich dem relativ niedrigen gesamtdeutschen Niveau angeglichen. Gleichwohl sind die 2000er Jahre durch eine starke Abwanderung insbesondere gut ausgebildeter, junger Menschen – vor allem junger Frauen – geprägt gewesen, die ihre Familiengründung dann häufig nicht im Freistaat realisiert haben.
Mittlerweile befinden sich die besonders geburtenschwachen Jahrgänge der 1990er Jahre selbst in der Familiengründungsphase, was zu einem „demografischen Echo“ führt. Dieses Phänomen wird die Geburtenentwicklung und auch die demografische Entwicklung insgesamt im Freistaat in den kommenden Jahren entscheidend prägen.
Wanderungsgewinne seit zehn Jahren
Die Wanderungsbewegungen in Thüringen in den vergangenen Jahren unterliegen deutlichen Schwankungen. Waren die 2000er Jahre aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation durch erhebliche Wanderungsverluste gekennzeichnet, erzielt Thüringen seit 2013 Wanderungsgewinne. Einerseits verringern sich infolge der verbesserten Arbeitsmarktsituation seit 2010 die Wanderungsverluste gegenüber den anderen Bundesländern. Andererseits wird der Freistaat zunehmend für Menschen aus dem Ausland interessanter.
Insgesamt wirken die Wanderungsgewinne dem Geburtendefizit entgegen, können dieses aber nicht kompensieren. Ausnahmen hiervon sind die Jahre 2015 und 2022, in denen der starke Zuzug von Schutzsuchenden für einen Bevölkerungszuwachs sorgte.
Altersstruktur: Etwa jede vierte Person im Rentenalter
Neben dem Bevölkerungsrückgang hat sich zudem die Altersstruktur des Landes deutlich verändert: Eine wachsende Anzahl älterer Menschen steht einer immer kleiner werdenden Gruppe an Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen gegenüber. Insbesondere die Anzahl der potentiell erwerbstätigen Menschen hat in der Vergangenheit stark abgenommen, sodass ein immer geringerer Anteil der Bevölkerung einen immer größer werdenden Teil „versorgen“ muss.
Ursachen hierfür sind neben einer niedrigen Geburtenrate sowie einem Sterbefallüberschuss auch Veränderungen bei der Lebenserwartung. Diese ist seit dem Jahr 2000 für Frauen um 2,5 Jahre und für Männer um 3,3 Jahre gestiegen. Gleichzeitig hat sich das Durchschnittsalter im Freistaat in diesem Zeitraum um 5,7 Jahre auf 47,6 Jahre erhöht.
War im Jahr 2000 jede fünfte in Thüringen lebende Person unter 20 Jahren und beinahe zwei Drittel der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, befindet sich heute jede vierte Person im Rentenalter und somit ist nur noch etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. Dieser Trend wird sich – wenn auch in abgeschwächter Form – in den kommenden Jahren aller Voraussicht nach fortsetzen.
Gleichzeitig hat sich Thüringen im vergangenen Jahrzehnt zum Zuwanderungsland entwickelt. Seit 2013 hat sich die Zahl ausländischer Personen im Freistaat vervierfacht, auf aktuell knapp 180.000 Menschen. Betrug der Anteil ausländischer Personen an der Bevölkerung im Jahr 2013 lediglich 2,1 Prozent, so hat sich dieser auf 8,3 Prozent im Jahr 2023 erhöht. Damit ist der Anteil ausländischer Personen jedoch immer noch niedriger als im gesamtdeutschen Durchschnitt. Angesichts des betrachteten Zeitraums ist diese Entwicklung sehr beachtlich und als positiv zu bewerten. Denn die Zuwanderung hilft Thüringen nicht nur die demografischen Herausforderungen zu schultern, sondern auch damit einhergehende Probleme in den Bereichen Fach- und Arbeitskräftesicherung bzw. Sicherung der Daseinsvorsorge abzumildern.
Thüringen steht weiterhin vor großen demografischen Herausforderungen. Bevölkerungsrückgang und Alterung kennzeichnen die gegenwärtige Situation. Gleichzeitig wird der Freistaat jedoch immer vielfältiger. Dessen ungeachtet unterscheiden sich diese Entwicklungstendenzen regional deutlich. Es gibt deshalb keine Patentrezepte im Umgang mit den Folgen des demografischen Wandels, die für alle Regionen in Thüringen passend sind.
Gleichwohl ist mit dem demografischen Wandel die Anpassung und Weiterentwicklung bestehender Strukturen unumgänglich. Konkrete Maßnahmen müssen deshalb einerseits die jeweilige Betroffenheit, andererseits die einzelne Region mir ihren Spezifika in den Blick nehmen. So können aus den demografischen Herausforderungen neue Chancen für die betreffenden Regionen entstehen, die es aktiv zu gestalten gilt.
Thüringen ist in Bewegung. Die interaktive Thüringen-Landkarte bietet einen regionalen Blick auf den demografischen Wandel für den Zeitraum 2000 bis 2042. Probieren Sie es selbst aus und erleben, wie vielfältig die Entwicklung im Freistaat ist!
Im Interview spricht Silke Sommer, Abteilungsleiterin im Thüringer Landesamt für Statistik, über Bevölkerungsstatistiken, Vorausberechnungen und den Zensus.
Prof. Dr. Michael Behr gibt im Interview Einblicke in die demografische Entwicklung Thüringens seit 1990 und beleuchtet deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.
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