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Pressemitteilung des Statistischen Landesamtes Sachsen-Anhalt vom 3. August 2016
Die 6. Regionalisierte Bevölkerungsprognose (RBP) wurde vom Statistischen Landesamt im Auftrag des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr nach Ressortabstimmung im Interministeriellen Arbeitskreis Raumordnung, Landesentwicklung und Finanzen berechnet. Grundlage der 6. RBP bildet der Bevölkerungsstand am 31.12.2014, die Berechnung selbst erfolgte bis zum Jahr 2030. Mit Kabinettsbeschluss vom 26. Juli 2016 wurden deren Ergebnisse von der Landesregierung zur einheitlichen Planungsgrundlage für alle Landesbehörden erklärt.
Bevölkerungsprognosen zur zukünftigen Entwicklung von Bevölkerungsstrukturen sind unabdingbar. Sie geben politisch und ökonomisch agierenden Akteuren die Möglichkeit, weitsichtige und verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. Sie spielen bei arbeitsmarktpolitischen Fragestellungen eine große Rolle und dienen als Gerüst beispielsweise für Aspekte der sozialen Sicherungssysteme, der künftigen Schulplanung sowie finanzieller Zuschüsse seitens des Bundes oder der EU. Bevölkerungsprognosen werden in der Regel alle drei Jahre berechnet. Die Berechnung der nun vorliegenden 6. RBP hatte sich allerdings aufgrund des europaweiten Zensus verzögert.
Der Einwohnerschwund in Sachsen-Anhalt wird sich nach dieser neuen Prognose deutlich abschwächen. Im Jahr 2030 werden demnach noch knapp zwei Millionen Menschen im Land leben. Im Jahr 2008 ist im Rahmen der 5. RBP eine Unterschreitung dieser Marke bereits für das Jahr 2023, also sieben Jahre früher erwartet worden. Ursächlich hierfür sind die weiterhin steigende Lebenserwartung und insbesondere die gegenwärtig starke Nettozuwanderung nach Sachsen-Anhalt. Somit kann im Jahr 2015 das bislang hohe Geburtendefizit durch die hohen Wanderungsüberschüsse erstmals überkompensiert werden, sodass die Bevölkerung Sachsen-Anhalts 2015 zum ersten Mal seit der deutschen Wiedervereinigung ansteigt. Bereits im Jahr 2014 konnte, zum vierten Mal seit 1990, ein positiver Wanderungssaldo von 4.269 verzeichnet werden, welcher jedoch das Geburtendefizit von 13.766 nicht auszugleichen vermochte.
Bereits zum Ende der 1980er Jahre, also noch vor der einsetzenden Abwanderung junger Frauen, begannen die Geburtenzahlen signifikant zu sinken und erreichten 1994 mit lediglich 14.280 Geburten einen historischen Tiefststand. In der Folge begannen die Geburtenzahlen allerdings wieder zu steigen und erreichten im Jahr 2000 in Sachsen-Anhalt ein vorläufiges Maximum von 18.723 Geburten. In den nächsten drei Jahren gingen diese auf 16.889 zurück und pendelten sich seither auf einem Wert von jährlich rund 17.100 ein.
In der Zukunft wird ein Anstieg von gegenwärtig etwa 1,50 Kindern je Frau im gebärfähigen Alter auf 1,55 im Jahr 2020 prognostiziert. Dieser leichte Anstieg vermag das Fortschreiten abnehmender Geburtenzahlen allerdings bestenfalls abzumildern. Zu gering ist die Geburtenrate da das Bestandserhaltungsniveau bei etwa 2,1 Kindern je Frau liegt. Die weitaus größere Rolle spielt jedoch die Entwicklung der Bestandszahlen der Frauen in den generativen Altersstufen 15 bis 49. Es gibt zu wenig junge Frauen, die für potentielle Geburten überhaupt in Frage kommen. Am Jahresende 2014 gab es in Sachsen-Anhalt etwas mehr als 406.000 Frauen in den oben genannten Altersstufen, am Ende des Prognosezeitraums 2030 liegt der entsprechende Wert gemäß der Prognose bei rund 337.000, ein Rückgang von etwa 17 Prozent. Wenige Frauen im reproduktiven Alter bedeuten wenige Geburten, wenige Geburten münden wiederum in geringen Bevölkerungsbeständen der Frauen. Selbst ein deutlicher Anstieg der Kinderzahl je Frau würde in diesem Zusammenhang weder kurz-, noch langfristig zu entsprechend hohen Geburtenzahlen führen.
Ein Wachstum der Bevölkerung ist kurzfristig gesehen allein mit entsprechend hohen Zuwanderungszahlen möglich. Bevor Sachsen-Anhalt im Jahr 2014 erstmalig nach langer Zeit wieder einen Wanderungsüberschuss verzeichnen konnte, betrug der Wanderungsverlust pro Jahr im Zeitraum 1991 bis 2013 im Schnitt etwa 11.500 Menschen. Das heißt, Jahr für Jahr sind 11.500 Personen mehr aus Sachsen-Anhalt abgewandert als zugewandert. Verbunden mit einem hohen Geburtendefizit ergab dies einen enormen Bevölkerungsrückgang, der selbst für ostdeutsche Verhältnisse einmalig ist. Lag die Bevölkerungszahl in Sachsen-Anhalt im Jahr 1990 noch bei etwa 2.874.000 Einwohnern, betrug sie Ende 2014 etwa 2.236.000 Einwohner; ein Verlust von fast 640.000 Menschen oder 22 Prozent.
Seit der Wiedervereinigung haben viele Menschen Sachsen-Anhalt dauerhaft verlassen. Dies gilt insbesondere für die jungen Frauen. In jüngerer Vergangenheit hat sich jedoch, auch ohne die aktuelle Flüchtlingsmigration, eine Trendwende angedeutet, welche durch nachlassende Fortzüge und ansteigende Zuzüge gekennzeichnet ist. Unterteilt man die Wanderungsströme in Migration mit dem Ausland, Migration mit den neuen Bundesländern sowie Migration mit den alten Bundesländern, so wird ersichtlich, dass diese positive Entwicklung weniger auf die Wanderung mit den neuen Bundesländern, als vielmehr auf die Wanderung mit den alten Bundesländern und in jüngster Vergangenheit auch auf die Wanderung mit dem Ausland zurückzuführen ist. Wies der Wanderungssaldo, als Differenz aus Zu- und Fortzügen, mit den alten Bundesländern (ohne Berlin-West) im Jahr 2009 noch einen Wert von –8.048 Personen auf, so schmolz dieser Wanderungsverlust in den Folgejahren auf jetzt –2.074 zusammen. Zurückzuführen ist diese Entwicklung darauf, dass die geburtenschwachen Geburtsjahrgänge zu Beginn der 1990er Jahre in jüngerer Vergangenheit, gegenwärtig und auch in naher Zukunft die Migration dominierenden Altersstufen stellen werden.
Bezogen auf die neuen Bundesländer haben sich dagegen im gleichen Zeitraum lediglich die Zuzüge marginal erhöht, wohingegen die Fortzüge auf einem konstanten Niveau verweilen.
Wenngleich die Migration eine Möglichkeit darstellt, kurzfristig Bevölkerungszahlen zu erhöhen, ist diese Einflussgröße jedoch im Gegensatz zur Mortalität und Fertilität schwerer zu prognostizieren. Dies gilt in besonderem Maße für die aktuelle Auslands- beziehungsweise Flüchtlingswanderung. Nicht weniger wichtig als die Frage wie viele Flüchtlinge nach Sachsen-Anhalt kommen, ist die Frage, wie viele dieser Personen auch dauerhaft bleiben um ein potentielles Bevölkerungswachstum zu generieren oder zumindest ein weiteres Absinken der Bevölkerungszahl abzuschwächen. Denn es ist in erster Linie dem Zustrom der Flüchtlinge zu verdanken, dass Sachsen-Anhalt im Jahr 2015 einen signifikanten Wanderungsüberschuss verzeichnen kann, der darüber hinaus dafür sorgt, dass Sachsen-Anhalts Bevölkerungszahl nach einem viertel Jahrhundert erstmalig wächst.
Die am sichersten zu prognostizierende Einflussgröße stellt dagegen die Mortalität, ausgedrückt in der künftigen Lebenserwartung bei Geburt, dar. Gemäß der Sterbetafel 1991/93 für Sachsen-Anhalt konnte ein damals geborener Knabe noch mit 69,42 zu durchlebenden Jahren rechnen, wohingegen ein Mädchen eine Lebenserwartung von 76,80 Jahren hatte. Die aktuelle Lebenserwartung (Sterbetafeln 2012/2014) beträgt hingegen 76,18 beziehungsweise 82,48 Jahre wodurch sich ein Zugewinn von 6,76 beziehungsweise 5,68 Lebensjahren ergibt. Damit einher geht auch eine Reduktion der Übersterblichkeit der Männer, ausgedrückt als Differenz zwischen der männlichen und weiblichen Lebenserwartung, welche sich auch in Zukunft weiter verringern wird.
Ausgehend von den hier skizzierten Entwicklungen der letzten Jahre wurden durch den Interministeriellen Arbeitskreis Raumordnung-Landesentwicklung-Finanzen folgende, dieser Prognose zugrunde liegenden Annahmen für das Land getroffen:
Diese Annahmen wurden für die 3 kreisfreien Städte und 11 Landkreise untersetzt. Die daraus abgeleiteten Kreisprognosen, ausgehend vom Bevölkerungsstand zum 31.12.2014, wurden zum Landesergebnis zusammengefasst. Danach wird die Bevölkerung bis zum Jahr 2030 um 11 Prozent oder 245.200 Personen abnehmen. Daran ist ausschließlich das zu erwartende Geburtendefizit als Differenz zwischen Lebendgeborenen und Gestorbenen beteiligt, da der Wanderungssaldo in diesem Zeitraum mit insgesamt 41.523 Personen einen positiven Wert annimmt. Gleichwohl wird bereits ab dem Jahr 2016 mit stark nachlassenden Flüchtlingszahlen gerechnet, sodass ab diesem Jahr das Geburtendefizit den positiven Wanderungssaldo übersteigt und die Bevölkerungszahl zu schrumpfen beginnt. Nichtsdestotrotz wird sich dieser Bevölkerungsschwund auch aufgrund der getroffenen Annahmen hinsichtlich der Wanderung mit den anderen Bundesländern weiter abschwächen. Es werden künftig weniger Menschen aus Sachsen-Anhalt fortziehen, sodass sich die Wanderungsverluste gegenüber den anderen Bundesländern von gegenwärtig 5.322 auf 1.523 im Jahr 2020 verringern.
In den Landkreisen und kreisfreien Städten wird es eine differenzierte Entwicklung geben. Während in den 1990er Jahren insbesondere die beiden größten Städte Magdeburg und Halle (Saale) mit großen Bevölkerungsverlusten zu kämpfen hatten, wird die gegenwärtige Entwicklung dafür sorgen, dass es künftig ausschließlich diese beiden Städte sind, die ein Bevölkerungswachstum verzeichnen werden. Bis zum Jahr 2030 beträgt dieser wahrscheinlich 3,8 Prozent beziehungsweise 2,6 Prozent. Allerdings ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass das Bevölkerungswachstum in diesen beiden Städten in den Jahren 2024 beziehungsweise 2023 ihr Ende findet und daran ein Rückgang der Bevölkerungszahl einsetzt.
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