„Der Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge könnte ein Magnet für junge jüdische Familien werden“
David Rubinstein ist seit 2021 Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde in Hamburg. In dieser Funktion brachte er sich in den letzten zehn Jahren in verschiedene Ehrenämter und Gremien ein. Sein Ziel ist es, eine florierende, liebenswerte und lebenswerte Gemeinde zu schaffen. Im Interview berichtet er von der demografischen Entwicklung der Jüdischen Gemeinde in Hamburg, von ihren aktuellen Herausforderungen und Wünschen für die Zukunft.
Diese Zahlen können wir nur schätzen. Die Jüdische Gemeinde hat etwa 2.300 Mitglieder, aber nicht alle Jüdinnen und Juden sind Mitglieder der Gemeinde. Man geht davon aus, dass die tatsächliche Zahl etwa doppelt so hoch ist. Eine offizielle Erfassung gibt es aber nicht.
Wie hat sich die Zahl der Mitglieder der Jüdischen Gemeinde über die vergangenen Jahrzehnte entwickelt?
Vor der Shoa gab es rund 20.000 Gemeindemitglieder in Hamburg, die somit deutlich größer als heute war. Nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch war die Zahl stark dezimiert. Deshalb hat man sich mit der Struktur der Einheitsgemeinde auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt. Häufig gab es orthodox geprägte Synagogen, die unabhängig davon auch ein Angebot mit einem liberalen Rabbiner hatten. Das ist einmalig auf der Welt.
Seit den 1990er Jahren sind viele Jüdinnen und Juden aus den ehemaligen GUS-Staaten nach Deutschland gekommen. Auch ich gehöre zu den Menschen, die vor rund 30 Jahren nach Hamburg migriert sind. Dies hat zu einem erheblichen Anstieg der Mitgliederzahlen geführt, sodass diese Gruppe heute rund 80 Prozent der Jüdischen Gemeinde in Hamburg ausmacht. Seit der Zuwanderung in den 1990ern hat sich die Zahl der Mitglieder somit verdreifacht. Die Integration dieser Menschen war aufgrund der Größe und Vielfalt eine wesentliche Veränderung für unsere Struktur. Liberalere Strömungen haben zum Beispiel dazu geführt, dass sich die Jüdische Gemeinde 2017 noch weiter geöffnet hat und eine Reformsynagoge gegründet wurde. Dies sowie viele weitere kulturelle Angebote und unser Bildungshaus ziehen inzwischen auch vermehrt junge Leute an, die Hamburg vorher eher verlassen haben.
Welche Auswirkungen hatte der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine für die Jüdische Gemeinde?
Mit dem Ukrainekrieg kam es zu einer neuen Einwanderungswelle. Unsere Gemeinde hat in diesem Zeitraum zwischen 200 und 250 neue Mitglieder aufgenommen, das entspricht fast zehn Prozent der bestehenden Gemeinde. Diese Menschen zu integrieren, war eine große Herausforderung, auch wenn wir durch die Erfahrungen aus den 1990ern besser vorbereitet waren. Einige sind inzwischen in die Ukraine zurückgekehrt, aber viele sind geblieben.
Welche Herausforderungen sehen Sie für die demografische Entwicklung der Gemeinde?
Der demografische Wandel ist eine große Herausforderung. Wir hoffen auf weiteres Wachstum. Der Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge könnte ein Magnet für junge jüdische Familien sein. Hamburg entwickelt sich zunehmend zu einem jüdischen Zentrum, ähnlich wie Berlin, Frankfurt oder München.
Welche Rolle spielt die Unterstützung der Zivilgesellschaft und der Politik?
Die politische Unterstützung, vor allem beim Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge, ist sehr stark. Es gibt auch eine enge Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden und dem Hamburger Senat, was für uns wichtig ist, besonders in Zeiten erhöhter Bedrohungslagen. Diese nehmen wir deutlich wahr. In der Zivilgesellschaft gibt es oft viel guten Willen, aber leider bleibt es manchmal bei Worten. Wenn es um Antisemitismus geht, bemerken wir oft eine gewisse Abstumpfung. Deshalb ist es wichtig, dass der Staat und die Zivilgesellschaft jetzt gegensteuern. Dass viele Menschen eher denen folgen, die meinen, vermeintlich simple Antworten auf komplexe Fragen zu finden, hat schließlich nicht nur Auswirkungen für die jüdische Seite, sondern auf die gesamte Gesellschaft. Wenn Gesellschaft und Politik zu wenig unternehmen, kann es schnell gehen, dass sich das Land in einer Situation wiederfindet, in der die Mehrheit gar nicht sein wollte.
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