Zukunftssichere öffentliche Finanzen sollen den Handlungsspielraum des Staates heute und in der Zukunft jederzeit gewährleisten. Unvorhergesehene Krisen wie die Corona-Pandemie oder der russische Angriffskrieg auf die Ukraine können gezielte Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft oder Abfederung der negativen Folgen dieser Krisen erforderlich machen. Langfristig stellt der demografische Wandel die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen vor eine große Herausforderung.
Die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen ist sichergestellt, wenn der Staat seinen finanziellen Verpflichtungen dauerhaft nachkommen kann. Die Einhaltung dieses Grundsatzes wird durch die in der Verfassung verankerte Schuldenregel unterstützt. Deshalb ist es umso bedeutender, dass der Bund im Jahr 2023 wieder die reguläre Kreditobergrenze der verfassungsrechtlichen Schuldenregel einhält.
Jenseits des formalen Regelwerks der Schuldenbremse existieren zahlreiche politische Ansatzpunkte zur Sicherung der langfristigen Tragfähigkeit. Diese setzen sowohl bei staatlichen Einnahmen als auch bei öffentlichen Ausgaben an und erstrecken sich über verschiedene Politikbereiche: von der Finanz- und Wirtschaftspolitik über die Renten-, Gesundheits- und Pflegepolitik bis hin zur Familien- und Bildungspolitik. Darüber hinaus schließen sie Maßnahmen zur Stärkung des Arbeitsmarkts und zur Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität ein sowie zur Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und Ausweitung der innovationsfördernden und investiven Kapazitäten der Volkswirtschaft.
Bericht zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen
Mit dem Tragfähigkeitsbericht legt das Bundesministerium der Finanzen einmal pro Legislaturperiode Projektionen und Analysen zur langfristigen Entwicklung der demografieabhängigen Einnahmen und Ausgaben vor. Anhand dieser können sich im Zeitablauf potenziell aufbauende Handlungsbedarfe abgeschätzt werden und die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen in Deutschland finanzpolitisch bewertet werden. Die Veröffentlichung des nächsten Tragfähigkeitsberichts ist für Herbst 2023 geplant.
Inhalte und Methodik
Im Kern befasst sich der Tragfähigkeitsbericht mit den langfristigen Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen. Dabei stützt sich der Bericht auf fundierte, modellbasierte Langfristprojektionen der öffentlichen Finanzen. Der Fokus der Projektionen liegt auf der Entwicklung der demografieabhängigen Ausgaben – unter der Annahme, dass keine gesetzlichen Änderungen vorgenommen werden („no policy change“). Die Projektionen berücksichtigen die jeweils aktuellste Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes. Unter Zugrundelegung verschiedener optimistischer und pessimistischer Annahmen (beispielsweise zur Zuwanderung oder Erwerbstätigkeit Älterer) können ein Korridor von projizierten Finanzierungssalden und Schuldenständen abgeleitet sowie Tragfähigkeitsindikatoren berechnet werden, die Aufschluss darüber geben, inwiefern finanzpolitischer Handlungsbedarf besteht.
Im Bericht werden zahlreiche Ansatzpunkte zur Abfederung der Effekte des demografischen Wandels diskutiert und anhand von Szenario- und Sensitivitätsanalysen veranschaulicht. Hierzu zählen beispielsweise Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenerwerbspotenzials, zur Steigerung der Erwerbstätigkeit älterer Menschen oder zur Verbesserung der Fachkräftezuwanderung.
Ergebnisse des Fünften Tragfähigkeitsberichts
Der letzte Tragfähigkeitsbericht wurde im März 2020 veröffentlicht. Auch ohne Berücksichtigung der Corona-Pandemie und des russischen Angriffskriegs in der Ukraine legen die Langfristprojektionen der gesamtstaatlichen Schuldenquote bereits deutliche fiskalische Anpassungsbedarfe offen. Die folgende Abbildung zeigt, dass sowohl in einem pessimistischen (T-) als auch in einem optimistischen (T+) Szenario die Schuldenquote spätestens Mitte der 2030er Jahre wieder ansteigen und sich im weiteren Verlauf beschleunigen wird.
Der Hauptgrund für die ansteigende Schuldenquote ist der ausgeprägte demografische Wandel, der die Sozialversicherungssysteme in Deutschland langfristig unter Druck setzt. Wird diesem Trend nicht mit geeigneten Maßnahmen begegnet, müssen Defizite in den Sozialversicherungssystemen durch Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt ausgeglichen werden.
Die Ergebnisse des Tragfähigkeitsberichts verdeutlichen auch, dass die Entwicklung der Erwerbstätigkeit von maßgeblicher Bedeutung ist. Beispielsweise hat die gute Entwicklung der Erwerbstätigkeit im vergangenen Jahrzehnt dazu beigetragen, dass Beitragssatzsenkungen in der gesetzlichen Rentenversicherung realisiert werden konnten.
Für den Herbst 2023 ist die Veröffentlichung des Sechsten Tragfähigkeitsberichts des BMF geplant. Dieser wird die Ergebnisse der aktuellen Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes berücksichtigen.
Ageing Report der EU
Auf europäischer Ebene berichtet der Ageing Report alle drei Jahre über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Bevölkerungsalterung in den EU-Mitgliedstaaten. Dabei liegt ähnlich wie im Tragfähigkeitsbericht ein Fokus auf Langfristprojektionen der demografieabhängigen Ausgaben in den Bereichen Rente, Gesundheit, Pflege und Bildung.
Wirkungskreis
Der Ageing Report wird von der Arbeitsgruppe „Working Group on Ageing Populations and Sustainability“ erstellt, die dem Wirtschaftspolitischen Ausschuss der EU unterstellt ist. Die Ergebnisse der Langfristprojektionen aus dem Ageing Report fließen in eine Reihe von politischen Prozessen auf EU-Ebene ein. Insbesondere werden sie im Rahmen der Koordinierung der Wirtschaftspolitik verwendet, beispielsweise im Rahmen des Europäischen Semesters. Darüber hinaus fließen die Projektionen des Ageing Reports in weitere Publikationen der EU-Kommission ein, wie dem Fiscal Sustainability Report, der kurz-, mittel- und langfristige Risiken für die Schuldentragfähigkeit der EU-Mitgliedstaaten analysiert und bewertet.
Ergebnisse des 2021 Ageing Report
Der aktuelle Ageing Report bestätigt für Deutschland die Befunde des Fünften Tragfähigkeitsberichts. So steigen demografiebedingt die projizierten Ausgaben in den Bereichen Rente, Gesundheit, Pflege und Bildung im Zeitverlauf bis 2070 an. Der größte Ausgabenanstieg wird für Deutschland im Bereich Rente erwartet. Die demografieabhängigen Ausgaben steigen auch für die EU im Aggregat an, insgesamt aber weniger stark als für Deutschland. Für die meisten EU-Mitgliedstaaten sind die projizierten Ausgabenanstiege in den Bereichen Gesundheit und Pflege die größten demografiebedingten Treiber.
Die Veröffentlichung des nächsten EU Ageing Reports ist für das Jahr 2024 geplant.
Die materielle Absicherung der Altersphase ist eine herausragende sozialstaatliche Leistung in Deutschland. Ab dem Jahr 2025 wird die demografische Entwicklung die Alterssicherungssysteme vor große Aufgaben stellen.
In einer Gesellschaft des zunehmend langen Lebens können viele ältere Menschen heute ihr Leben im Alter bei guter Gesundheit selbstbestimmt gestalten. Doch auch der Bedarf an Pflege und Betreuung im hohen Alter wird steigen.
Die Fachkräftesicherung ist eines der Kernthemen für die Zukunft unseres Landes. Die abnehmende Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland kann durch verschiedene Maßnahmen aufgefangen werden.
Blätterfunktion
Hinweis zur Verwendung von Cookies
Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link: Datenschutz