Kinder- und Jugendhilfe im demografischen WandelThemenartikel
Der vorliegende Artikel beschreibt die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Kinder- und Jugendhilfe in Baden-Württemberg. Zunächst werden die erwarteten regionalen Veränderungen der 44 Stadt- und Landkreise mit dem Fokus auf die Altersgruppe der 0- bis unter 21-Jährigen vorgestellt. Daran anschließend wird diese Gruppe weiter differenziert und die erwarteten demografischen Veränderungen für die verschiedenen kinder- und jugendhilfespezifischen Altersgruppen beleuchtet. Abgerundet wird der Artikel mit dem Blick auf die Herausforderungen für einzelne Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendhilfe.
Baden-Württemberg ist auf dem Weg in eine alternde Gesellschaft und erwartet in den nächsten Jahrzehnten deutliche Verschiebungen in den Anteilen der verschiedenen Altersgruppen. So wird der prozentuale Anteil, den die Altersgruppe der 65-Jährigen und Älteren an der Gesamtbevölkerung einnimmt, deutlich steigen. Gleichzeitig verringert sich der prozentuale Anteil der Altersgruppe der 0- bis unter 21-Jährigen.
Bildung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärker fördern
Aus dem Blickwinkel der Kinder- und Jugendhilfe stellen Kinder, Jugendliche und junge Volljährige somit zukünftig eine Minderheit dar, die auf Unterstützung und Förderung durch eine breite bürgerschaftliche und (kommunal-)politische Lobby angewiesen ist, um ihre Rechte und Bedarfe durchzusetzen. Darüber hinaus hat dies erhebliche sozialpolitische und volkswirtschaftliche Konsequenzen. Damit die Gesellschaft weiter so funktioniert wie bisher (zum Beispiel das Sozialversicherungssystem), bedarf es aus dem Blickwinkel der Kinder- und Jugendhilfe zum einen eine (noch stärkere) Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zunehmend auch Pflege. Zum anderen wird die frühzeitige, umfassende und breite Förderung sowie Bildung aller jungen Menschen noch bedeutsamer als jemals zuvor.
Voraussichtliche Entwicklungen der 0- bis unter 21-Jährigen in Baden-Württemberg von 2017 bis 2030
Nach der jüngsten Bevölkerungsvorausrechnung wird davon ausgegangen, dass sich die Zahl der unter 21-Jährigen bis 2030 um etwa ein Prozent in Baden-Württemberg erhöhen wird (siehe Abbildung 1). Allerdings werden die Entwicklungen innerhalb des Bundeslandes sehr unterschiedlich – zum Teil gegenläufig – sein. Die Spannweite der Verteilung erstreckt sich somit von 10 Prozent Zuwächsen bis hin zu 3 Prozent Verlusten bei den unter 21-Jährigen. Darüber hinaus finden sich ebenfalls starke Unterschiede innerhalb der Stadt- und Landkreise. So stehen die Stadt- und Landkreise sowie die kreisangehörigen Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg vor unterschiedlichen Erfordernissen in der konkreten Ausgestaltung der Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe.
Abbildung 1: Erwartete Veränderung der Population der 0- bis unter 21-Jährigen in den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs von 2017 bis 2030Quelle: Datenbasis: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (2019). Regionalisierte Bevölkerungsvorausrechnung Basis 2017, Hauptvariante. Eigene Berechnung KVJS. Rote Balken = Stadtkreise; blaue Balken = Landkreise.
Es wäre jedoch ein Trugschluss – aufgrund der Abbildung 1 – anzunehmen, dass lediglich geringe Veränderungen und Auswirkungen für die Kinder- und Jugendhilfe bestehen würden. Neben den Veränderungsdynamiken in den 44 Stadt- und Landkreisen müssen ebenfalls die Binnenaltersstruktur und somit die Veränderungen innerhalb der Altersgruppe der unter 21-Jährigen betrachtet werden.
Die einzelnen kinder- und jugendhilfespezifischen Altersgruppen sind ganz unterschiedlich von dem demografischen Wandel betroffen (siehe Abbildung 2). So wächst beispielsweise die Gruppe der 6- bis unter 10-Jährigen voraussichtlich um 11 Prozent und die der 18- bis unter 21-Jährigen verliert etwa 15 Prozent bis 2030 in Baden-Württemberg.
Abbildung 2: Erwartete Veränderungen in der Binnenaltersstruktur der 0- bis 21-Jährigen in Baden-Württemberg im Zeitraum von 2017 bis 2030Quelle: Datenbasis: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (2019). Regionalisierte Bevölkerungsvorausrechnung Basis 2017, Hauptvariante. Eigene Berechnung KVJS.
In Baden-Württemberg ist die Kinder- und Jugendhilfe durch den demografischen Wandel somit einerseits mit regionalen Ungleichzeitigkeiten – sowohl zwischen den Stadt- und Land-kreisen als auch zwischen kreisangehörigen Städten und Gemeinden – und anderseits mit Gewinnen sowie Verlusten einzelner Teilpopulationen der unter 21-Jährigen konfrontiert.
Auswirkungen auf die Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendhilfe
Der demografische Wandel trägt zur Weiterentwicklung der Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendhilfe bei. Aber auch andere Faktoren wie neue Rechtsansprüche oder fachplanerische Aspekte beeinflussen diese. Im Folgenden wird exemplarisch kurz auf zwei Arbeitsfelder mit Blick auf die Auswirkung des demografischen Wandels eingegangen:
Arbeitsfeld Kindertagesbetreuung
Demografische Veränderungen haben einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Kindertagesbetreuung, da sie sich eins zu eins auf den Angebotsbedarf niederschlagen. Darüber hinaus besteht hier die Besonderheit, dass der zeitliche Vorlauf von Planungsprozessen sehr gering ist, da Angebote bereits in den ersten Lebensjahren eines Kindes genutzt werden. Demnach muss beispielsweise bei steigenden Geburtenraten zeitnah reagiert werden, um der Anzahl an Bedarfen gerecht zu werden. Neben den quantitativen Angebotsentwicklungen muss dieses Arbeitsfeld zukünftig ebenfalls – ausgehend von den Verschiebungen der Altersgruppenanteile – noch stärker die frühkindliche Bildung fokussieren und sich mit neuen Betreuungsmodellen (Stichworte: Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Pflege) befassen.
Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendarbeit
Die Auswirkungen des demografischen Wandels auf das Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendarbeit sind sehr komplex. Es treten unterschiedliche Entwicklungen in den Altersgruppen auf, es gibt keine verbindlichen Quoten und in diesem Arbeitsfeld müssen auch immer politische, soziale und wirtschaftliche Faktoren beachtet werden. Die demografische Entwicklung hat in diesem Arbeitsfeld vor allem Auswirkungen auf die strukturellen Rahmenbedingungen. Beispielsweise ist in diesem Zusammenhang zu nennen, dass durch die Rückgänge der 18- bis unter 21-Jährigen sowie der 21- bis 25-Jährigen ehrenamtliche Ressourcen schrumpfen und eine professionelle Struktur weiter ausgebaut werden muss. Außerdem muss die Kinder- und Jugendarbeit mit Blick auf den demografischen Wandel, noch mehr als je zuvor, der Unterstützung, Förderung und (politischen) Bildung der jungen Menschen Aufmerksamkeit und Beachtung schenken.
Trotz des Rückgangs einzelner Adressaten-Altersgruppen der Kinder- und Jugendhilfe sind mehr Investitionen und mehr Engagement für Kinder, Jugendliche und junge Volljährige erforderlich!
Dieser Artikel fasst Ergebnisse und Ausführungen der Broschüre „Kinder- und Jugendhilfe im demografischen Wandel“ (2020) des Kommunalverbands für Jugend und Soziales (KVJS) zusammen.
Baden-Württemberg hat im Bundesländervergleich eine geringe Pflegequote. Doch wie wirkt sich der demografische Wandel auf die Zahl pflegebedürftiger Menschen in Zukunft aus?
Blätterfunktion
Hinweis zur Verwendung von Cookies
Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link: Datenschutz