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Zurückkehren in die Heimat, vor allem junge Familien entscheiden sich dafür. Auch im Landkreis Elbe-Elster im Süden Brandenburgs. Die Willkommensagentur „Comeback Elbe-Elster“ unterstützt Rückkehrwillige bei diesem Schritt. Wie genau, das erklären im Interview Sven Guntermann, Vorsitzender des Vereins „Generationen gehen gemeinsam (G3) e.V.“, und Sandra Spletzer, selbst Rückkehrerin und Koordinatorin des Netzwerks „Ankommen in Brandenburg“.
Finsterwalde, das ist der Sitz Ihrer Willkommensagentur „Comeback Elbe-Elster“. Warum gerade hier?
Guntermann: Comeback Elbe-Elster ist aus dem Verein „Generationen gehen gemeinsam (G3) e.V.“ mit Sitz in Finsterwalde entstanden. Das Thema haben wir immer wieder diskutiert. Aufgrund der Rückkehrerfahrung unserer Mitarbeiterin Stephanie Auras-Lehmann ist dann die Idee entstanden, eine Initiative zu gründen, die Rückkehrern dabei hilft, wieder in der Region Fuß zu fassen. 2012 war es dann soweit. Die Resonanz war sehr groß. Wir haben festgestellt, dass doch viele Menschen wieder zurückkommen wollen.
Sind das Menschen, die in ihre alte Heimat zurückkommen oder eher Zuzügler, die in Ihrer Region eine neue Heimat finden?
Guntermann: Unser ursprünglicher Ansatz waren eigentlich die Rückkehrer. Inzwischen hat sich dieser auf Zuzügler ausgeweitet.
Wie hat sich „Comeback Elbe-Elster“ nach der Gründung 2012 weiterentwickelt?
Guntermann: Wir sind eine sehr ländlich geprägte Region und es gab eine enorme Abwanderungsbewegung von Ost nach West, auch aus unserer Region. Ich bin jetzt Ende vierzig und aus meiner Abiturklasse ist fast niemand mehr da. Der Druck in peripheren ländlichen Regionen wie unserer ist nach wie vor enorm. Der demografische Wandel macht sich auch bei uns bemerkbar: Wir werden immer älter und weniger. Von daher ist es schön zu sehen, dass dieses zarte Pflänzchen „Rückkehr“ nun anfängt zu gedeihen. Rückkehr ist für mich ein Indikator für „Die Region entwickelt sich wieder nach vorn“. Denn die Rückkehrmotive sind zwar sozialer Art, aber ohne Arbeit, ohne Perspektive, kommt trotzdem niemand zurück. Und Perspektiven gibt es bei uns wieder.
Wie kann man sich die Arbeit bei so einer Willkommensagentur vorstellen? Welche Angebote gibt es, wenn sich Rückkehrer an Sie wenden?
Guntermann: Unser Angebot besteht aus drei Teilen: Erstens, wir bieten ein umfangreiches Beratungsangebot für Rückkehrer an, zu Arbeitsplätzen, zur Wohnungssuche oder zu Kita-Plätzen. Zweitens, wir haben einen Heimatladen, wo wir auf regionale Besonderheiten, regionale Produkte und regionale Existenzgründer hinweisen, also ein Schaufenster in die Region. Ein dritter Bestandteil ist der Co-Working-Bereich, wo wir jungen Studierenden und jungen Existenzgründern, die Gelegenheit geben, sich auszutauschen und sich gegenseitig zu befruchten.
Spletzer: Was wir konkret machen, hat sich im Laufe der letzten Jahre etwas gewandelt. Zu Anfang der Initiative im Jahr 2012 war es eher so, dass Rückkehrern noch eher das Image des gescheiterten Rückkehrers anhaftete. Wir haben das Gefühl vermittelt, dass sie in ihre Heimatregion etwas Wertvolles einbringen können. Das Image des Rückkehrers hat sich seither gewandelt. Es ist mittlerweile anerkannt, dass Menschen aus Überzeugung in ihre Heimatregion zurückkehren und nicht, weil sie anderswo gescheitert sind. Zunehmend kontaktieren uns heute hochqualifizierte Führungskräfte, die aus Ballungsregionen in ihre alte Heimat zurückkehren wollen. Deswegen beschäftigen wir uns jetzt mehr mit dem Thema Unternehmensnachfolge. Wenn ich vorher Personalverantwortung für 300 Leute hatte, ist es schwer in unserer Region etwas Adäquates zu finden und da kann eine Firmennachfolge eine gute Alternative sein.
Wie oft erhalten Sie Anfragen von potenziellen Rückkehrern?
Spletzer: Wir haben relativ konstant 100 Anfragen im Jahr. Das ist jeweils ein Kontakt, der dann oft eine ganze Familie beinhaltet.
Und wissen Sie auch, wie viele Menschen nach einer Beratung auch tatsächlich zu Ihnen kommen?
Spletzer: Das ist ein bisschen schwierig. Diejenigen, die wiederkommen, sind vorwiegend junge Familien mit kleinen Kindern. Wir machen die Erstberatung oder wir begleiten sie einen Schritt weit und ob es dann am Ende klappt oder nicht, hierzu erfolgt an uns nicht immer eine Rückmeldung. Ist der Entschluss zur Rückkehr erst einmal gefasst, dann ist es aus unserer Erfahrung nur noch eine Frage des Wie und Wann. Wir gehen davon aus, dass mindestens 80 Prozent am Ende zurückkommen. Im Moment arbeiten wir daran, das ein bisschen besser zu erfassen.
Wie genau?
Spletzer: 2018 und 2019 haben wir als Netzwerkkoordination für das brandenburgweite Netzwerk „Ankommen in Brandenburg“ Befragungen von Rückkehrern und Zuzüglern durchgeführt. Hier hat sich gezeigt, dass Rückkehrer und Zuzügler mit ihren Umzugsentscheidungen zufrieden sind, obwohl sie Abstriche insbesondere beim Einkommen und der Qualität der Arbeitsplätze hinnehmen. Das Positive, oft soziale Aspekte wie Nähe der eigenen Kinder zu den Großeltern, alte Freunde, die ebenfalls zurückgekehrt sind, überwiegt bei Weitem die Abstriche, die gemacht werden müssen.
Es gibt Ihre Willkommensagentur jetzt schon vier Jahre. Auf welche Erfolge sind Sie besonders stolz?
Guntermann: Stolz sind wir insbesondere darauf, dass auch viele ohne unsere Unterstützung zurückkommen. Über die Region wird wieder positiv gesprochen und sie entwickelt sich wieder positiv, das merkt man. Stolz sind wir auch darauf, dass uns die Staatskanzlei das Vertrauen geschenkt hat, das Netzwerk der Brandenburger Rückkehrinitiativen zu koordinieren. Das machen wir seit 2017 und ich denke nach wie vor mit gutem Erfolg.
Sie sind mit Initiativen in Brandenburg vernetzt. Was können Sie voneinander lernen und welche Unterschiede gibt es?
Guntermann: In Brandenburg gibt es eine ganze Reihe von Rückkehrerinitiativen, vor allen in den Randlagen, eher nicht im Speckgürtel von Berlin. Also eher da, wo der Druck und der Bedarf durch den demografischen Wandel relativ hoch ist wie in der Lausitz oder in der Uckermark. Sie alle sind Teil des Netzwerks „Ankommen in Brandenburg“. Wir haben 2017 mit drei Initiativen angefangen, inzwischen sind in dem Netzwerk über 18 Initiativen organisiert. Da geht es um Erfahrungsaustausch und um Öffentlichkeitsarbeit, aber auch um fachlichen Austausch.
Spletzer: Ein wichtiges Ziel des Netzwerks „Ankommen in Brandenburg“ ist der Austausch der überwiegend kleinen Akteure, für die die Förderung von Rückkehr und Zuzug oft nur ein Arbeitsfeld von vielen ist. Mit den Erfahrungen der anderen Partner am Tisch kann man von den Lernkurven der anderen profitieren. Das ist ein großer Wert des Netzwerks. Es ist dieser Austausch, der es dann für die Akteure vor Ort ein Stück weit leichter macht, Ideen umzusetzen oder Ideen durchzusetzen, indem man sagen kann „dort hat es auch geklappt“.
Werden Sie auch gefördert?
Spletzer: Ja, es gibt eine Richtlinie des Landes Brandenburg, die sich speziell an Initiativen richtet, die Rückkehr und Zuzug fördern und aus diesem Topf werden wir auch unterstützt.
Sind Projekte von der einen auf die andere Region in Brandenburg übertragbar?
Spletzer: Da nenne ich gerne ein Beispiel. In Calau gibt es eine Wohnungsgesellschaft, ein engagiertes Mitglied im Netzwerk. Sie hat jungen Familien ein interessantes Angebot unterbreitet. Wenn man einen neuen Mietvertrag abschließt, bekommt man in den ersten fünf Jahren die Kaltmiete des Kinderzimmers erlassen. Das heißt die Miete wird dadurch billiger. Dieses Angebot hat andere Wohnungsgesellschaften im Netzwerk inspiriert, weil es so gut in Calau angenommen wurde.
Guntermann: Die Rückkehrertage sind ein weiteres Beispiel. Inzwischen werden sie dezentral in ganz Brandenburg umgesetzt. Dabei präsentieren sich die Rückkehrinitiativen in Kooperation mit Kommunen, Städten, Unternehmen und laden gezielt zu Weihnachten oder an Feiertagen ein, wenn die potenziellen Rückkehrer da sind und ihre Familien besuchen. Ziel ist es, sie zu beraten. Und das ist in den letzten Jahren mit großem Erfolg durchgeführt worden und soll auch dezentral bleiben. Denn die Menschen kommen nicht nach Brandenburg zurück, sondern sie kommen nach Guben oder Cottbus zurück. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es eine zentrale Rückkehreragentur für das ganze Land. Das will das Land Brandenburg nicht.
Tauschen Sie sich auch über Brandenburg hinaus mit Rückkehrinitiativen aus?
Guntermann: Da gibt es das Projekt „Hüben wie Drüben“ mit einer Rückkehrinitiative aus dem Hochsauerlandkreis in Nordrhein-Westfalen. Im letzten Jahr haben uns die Projektpartner besucht. Wir fahren jetzt im März nach Meschede. Die erste Erfahrung ist, dass wir als Region ganz unterschiedlich aufgestellt sind. Wir haben zum Beispiel einen Hidden Champion, ein Unternehmen im ganzen Landkreis, das Weltmarktführer ist. Im Hochsauerlandkreis sind es hingegen weit über 100. Der Hochsauerlandkreis wirbt um Rückkehrer als Fachkräfte. Bei uns geht es um mehr: Jede junge Familie, die zu uns kommt, hilft nicht nur den Unternehmen, sondern ist generell für die ganze Region wichtig.
Die Willkommensagentur im Süden Brandenburgs berät Rückkehrer, Zuzügler, Pendler und ihre Familien beim (Wieder)heimisch-werden in der Region.
Die Fachkräfteagentur Wendlandleben ist ein Service Center für rückkehr- und zuzugswillige Fachkräfte sowie für regionale Unternehmen im niedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg.
Das Gewinnerprojekt des Deutschen Demografiepreises 2020 macht Mut und zeigt, dass ein Leben auf dem Land auf vielfältige Weise möglich ist.
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