„Hier in der Altmark verstehen wir uns nicht mehr als Konkurrenten, sondern als Ruderer im selben Boot“
Die Verbandsgemeinde Arneburg-Goldbeck liegt mit ihren acht Mitgliedsgemeinden in der Altmark im Norden von Sachsen-Anhalt. Verbandsgemeindebürgermeister René Schernikau wurde 2023 erneut im Amt bestätigt. Im Interview beschreibt er, was der demografische Wandel für seine Kommunen mit knapp 8.400 Einwohnern bedeutet und mit welchen demografiepolitischen Themen er sich beschäftigt.
Demografischer Wandel in meiner Verbandsgemeinde bedeutet …
Die Planung langfristiger Investitionen ist zu einer anspruchsvollen Herausforderung geworden. Der demografische Wandel und die Verringerung der Bevölkerungszahl führen dazu, dass bereits geringfügige Veränderungen innerhalb der Bevölkerungsgruppen erhebliche Auswirkungen haben können. Ein Beispiel verdeutlicht dies: Eine Grundschule, die gestern noch über eine 20-prozentige Reserve verfügte, ist morgen mit 20 Prozent überbelegt und in vier Jahren möglicherweise nur noch zur Hälfte ausgelastet.
Es ist unerlässlich, dass wir uns auf solche Schwankungen vorbereiten und flexibel reagieren können. Dies bedeutet jedoch auch, dass wir nicht mehr in der Lage sind, feste Auslastungsprognosen zu erstellen, wie es viele Förderprogramme verlangen. Wir müssen unsere Strategien anpassen und uns darauf konzentrieren, ein System zu schaffen, das auf Veränderungen vorbereitet ist und flexibel reagieren kann. Dies erfordert von uns allen eine neue Herangehensweise an Planung und Prognosen, um den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden.
Haben Sie eine Demografiestrategie? Bei welchen Themen setzen Sie Schwerpunkte?
In unserem Integrierten Gemeindlichen Entwicklungskonzept (iGEK) und im Entwurf des Flächennutzungsplans (FNP) haben wir die aktuellen Herausforderungen eingehend analysiert. Eine dezidierte Strategie im herkömmlichen Sinne ist für eine Verbandsgemeinde mit acht selbstständigen Mitgliedsgemeinden, neun tagenden Räten und knapp 8.400 Einwohnern auf 304 Quadratkilometern jedoch nicht leicht zu formulieren. Dennoch haben wir klare Prioritäten gesetzt. Nachhaltigkeit und die Berücksichtigung der Folgekosten sind für uns entscheidende Kriterien bei Investitionen. Dies gilt insbesondere für den Um- und Ausbau von Kindergärten und Schulen. Unser Fokus liegt auf dem Erhalt der Infrastruktur in der Fläche, da wir aus Erfahrung wissen, dass dies ein wesentlicher Faktor für die Stabilisierung der Einwohnerzahlen durch Zuzug ist.
Ein zentraler Bestandteil unserer Bemühungen ist die Digitalisierung. Intern schreiten wir voran mit der Umstellung auf digitale Akten und moderne Systeme. Für unsere Bürger bieten wir das Digitale Rathaus an. Eine besondere Herausforderung stellt die Schnittstelle zwischen digitaler Verwaltung und Bürgern in ländlichen Gebieten dar, die keinen adäquaten öffentlichen Nahverkehr zur Verfügung haben und möglicherweise Schwierigkeiten mit dem digitalen Zugang zur Verwaltung haben. Um diese Herausforderung zu bewältigen, haben wir uns für ein Pilotprojekt beworben.
Ein weiterer wichtiger Baustein ist die immer engere Zusammenarbeit der Kommunen. Auf unsere Initiative hin teilen wir demnächst beispielsweise die geforderte Stelle eines Hinweisgebers. Erste Ansätze zur gegenseitigen Unterstützung bei Vergaben und Standardaufgaben sowie zum gemeinsamen Softwareeinkauf sind bereits in der Umsetzung. Unser Ziel ist es, die Verwaltungskosten zu senken oder zumindest ihren Anstieg zu verlangsamen. Gemeinsam arbeiten wir daran, unsere Gemeinde zukunftsfähig zu gestalten und den Herausforderungen unserer Zeit mit Innovation und Zusammenarbeit zu begegnen.
Was können andere Kommunen von Ihnen lernen?
Aus meiner Sicht ist die enge Zusammenarbeit gleichartiger (Nachbar-)kommunen von entscheidender Bedeutung. Hier in der Altmark verstehen wir uns nicht mehr als Konkurrenten, sondern als Ruderer im selben Boot. Diese Zusammenarbeit stärkt uns und ermöglicht es uns, effizienter und kostengünstiger zu agieren. Ein Beispiel für diese Kooperation ist unser gemeinsames Geoportal. Mit diesem Projekt erfüllen wir die gesetzliche Anforderung zur digitalen Veröffentlichung von Plänen und reduzieren gleichzeitig die Kosten für alle beteiligten Kommunen. Dies zeigt, wie durchdachte Zusammenarbeit uns allen zugutekommt.
Ein weiterer wesentlicher Vorteil dieser Zusammenarbeit ist die verstärkte Wahrnehmung durch die Landesregierung. Durch unser gemeinsames Auftreten und die Bündelung unserer Interessen werden die besonderen Herausforderungen flächenmäßig großer Kommunen mit geringer Bevölkerungsdichte endlich ernst genommen. Diese Anerkennung ist ein wichtiger Schritt, um die spezifischen Bedürfnisse unserer Region besser zu adressieren und angemessene Unterstützung zu erhalten. Gemeinsam arbeiten wir daran, die Altmark zukunftsfähig zu gestalten und die Lebensqualität für unsere Bürgerinnen und Bürger nachhaltig zu verbessern. Nur durch Kooperation und gegenseitige Unterstützung können wir die Herausforderungen unserer Zeit erfolgreich meistern.
Wo läuft es noch nicht so rund?
Die Bürger- und Jugendbeteiligung im ländlichen Raum stellt uns vor erhebliche Herausforderungen, besonders wenn wir vermeiden wollen, immer nur die gleichen Gruppen zu erreichen. Es ist essentiell, dass wir vielfältige Stimmen hören und einbeziehen. In diesem Zusammenhang wäre es äußerst hilfreich, wenn die entsprechenden Gesetze nicht von einem „sollen“ sprechen, sondern von einem „müssen“. Eine solche gesetzliche Verankerung würde es uns ermöglichen, die notwendigen Ressourcen freizuschalten und sicherzustellen, dass Bürgerbeteiligung umfassend und effektiv umgesetzt werden kann. Durch eine klare gesetzliche Verpflichtung könnten wir die Partizipation auf eine breitere Basis stellen und die demokratischen Prozesse in unseren ländlichen Gemeinden stärken. Nur so können wir gewährleisten, dass die Stimmen aller Bürgerinnen und Bürger – auch die der Jugend – Gehör finden und aktiv in die Gestaltung ihrer Zukunft einbezogen werden.
Was sind Ihre Projekte für die Zukunft?
In diesem Jahr starten wir mit der digitalen Bürgerbeteiligung über das Portal, das uns vom Land Sachsen-Anhalt zur Verfügung gestellt wird. Dies ist ein bedeutender Schritt, um die Partizipation unserer Bürgerinnen und Bürger zu erleichtern und zu modernisieren. Zudem hoffe ich, dass wir unser Schnittstellen-Pilotprojekt „Digitale Verwaltung – Analoger Bürger“ beginnen können. Dieses Projekt zielt darauf ab, die Verwaltung für alle zugänglich zu machen, unabhängig von ihren digitalen Fähigkeiten oder ihrer geografischen Lage. Es ist ein wichtiger Bestandteil unserer Bemühungen, die Verwaltung effizienter und bürgernäher zu gestalten. Mit diesen Initiativen setzen wir klare Zeichen für Fortschritt und Inklusion und schaffen die Voraussetzungen für eine zukunftsorientierte und partizipative Gemeindeverwaltung.
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