Herr Eule Prütz, können Sie den folgenden Satz vervollständigen? Demografischer Wandel in der Stadt Herzberg (Elster) bedeutet …
dass die sinkende Zahl der Menschen im jüngeren Alter und die gleichzeitig steigende Zahl älterer Menschen deutlich zu spüren sind und wir uns der Herausforderung stellen müssen, die Verschiebung des demografischen Rahmens zu analysieren und passende Wohn-, Arbeits- und Freizeitmöglichkeiten für unsere Bürger-/innen sowie für Zuwanderer und Rückkehrer in der Heimat anzubieten. Da die großen Städte mehr und mehr an Bewohnern wachsen und der Stressfaktor aufgrund der steigenden Ansprüche im Beruf und der damit einhergehenden wenigen Zeit für die Freizeit wächst, sehen wir die Chance, dass der ländliche Raum immer attraktiver wird. Aufgrund neuer Arbeitsformen, wie Homeoffice, Coworking und Coliving lässt es sich auf dem Land gut und produktiv in vielen Berufsbranchen arbeiten. Dies scheint vor allem für junge und kreative Leute ein Anreiz zu sein, sich für den ländlichen Raum zu entscheiden. Unsere Aufgaben sehen wir in der Unterstützung der passenden Wohn- und Arbeitsräume sowie im vielfältigen Familienangebot. Ausreichend Ruhe und Natur können wir auf jeden Fall bieten.
Wir engagieren uns intensiv zurzeit in Modellphasen und Projekten, um neue Arbeitsformen in leerstehende Gebäude integrieren zu können und in Form von offenen Beteiligungsprozessen gemeinsam die Zukunftsgestaltung anzustreben. Hier wollen wir im nächsten Jahr den „Summer of Pioneers“ nach Herzberg holen. Wir schaffen zudem ein neues Baugebiet für unsere Familien und als Angebot für Rückkehrer und Zuwanderer. Das Vorantreiben der Digitalisierung hat auch bei uns einen großen Stellenwert.
Neben den verwaltungstechnischen Anpassungen sind auch die Außenwirkung und die Information und Kommunikation über digitale Tools und soziale Medien enorm wichtig. Neben einer Herzberg-App, einem Elternportal für die Kindertagesbetreuung, einem Technikum mit Robotik – und Programmierkursen, einem St.adtlabor möchten wir auch die Herzberger/innen in ihrem Ehrenamt und in der Organisation von Veranstaltungen mit Hilfe der Digitalisierung unterstützen.
So ist das Projekt „Herzberg digital.verein.t“ entstanden, welches vom Bund (Fördermaßnahme des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Rahmen des Bundesprogramms „Ländliche Entwicklung“ (BULE)) im Zuge der Initiative „Heimat 2.0“ gefördert wird.
Was ist das Ziel Ihres Projektes Herzberg digital. verein.t!?
Wir möchten zusammen mit den Vereinen, Interessengruppen, Gruppenvereinigungen und Veranstaltungstalenten in Form von Umfragen, Workshops und Inputveranstaltungen herausfinden, wo die Wünsche und Bedarfe bestehen, wie Abläufe und Aufgaben in ihrem Alltag mit Hilfe von digitalen Tools vereinfacht werden können. Diese innovative Lösung soll in die Herzberg-App und gegebenenfalls einer gesonderten Plattform integriert werden. Mit einem Softwaredienstleister und unserem Kooperationspartner Neuland 21 e.V. werden die Bedarfe zusammengefasst und in Prioritäten eingeordnet.
Nach aktuellen Ergebnissen aus der Umfrage steht derzeit neben der Vermarktung über soziale Medien, der Mitgliedergewinnung und der Unterstützung in bürokratischen Abläufen eine gemeinsame Veranstaltungsplattform ganz hoch im Kurs. Im September sollen die Workshops starten.
Es soll ein Prototyp entstehen, der von den Interessierten selbst getestet werden kann. Dafür steht uns das St.adtlabor zu Verfügung, welches entsprechend digital ausgestattet wird. Der Prototyp wird getestet, angepasst und so lange optimiert, bis eine geeignete digitale Lösung gefunden wird. Bis zum Sommer nächsten Jahres soll diese Lösung zur Verfügung stehen und als Open-Source-Software auch für andere Städte und Engagierte nutzbar sein. Eine Best-Practice-Broschüre für digitale Tools und ein Praxisleitfaden zu den Chancen und Hürden des Projektes sollen Ende des Jahres 2022 auf den Markt kommen.
Auch die Nachhaltigkeit ist uns in diesem Projekt sehr wichtig. So soll das St.adtlabor für unsere Engagierten als Veranstaltungsort und Technikraum langfristig zur Verfügung stehen. Die digitale Lösung soll ebenfalls, auch nach dem Projekt, je nach Bedarf und anhand der Wünsche optimiert werden. So können wir regelmäßig mit unseren Ehrenamtler-/innen in den Austausch treten und die Unterstützungsangebote in Form von Workshops fortführen. Die Wertschätzung spielt hier eine große Rolle, da jeder Engagierte für die Freizeitgestaltung der Stadt seine eigene Zeit opfert. Dies ist nicht selbstverständlich, so dass wir auch überlegen, einen Tag des Ehrenamtes einzuführen.
Welche konkreten Maßnahmen setzen Sie bereits um?
Gestartet haben wir nach der Organisation des Projektmanagements mit der hybriden Auftaktveranstaltung am 03.06.2021 und haben direkt unsere Umfrage zur 1. Bedarfsermittlung angeschlossen. Das Feedback war recht gut. Eine Veranstaltungsplattform steht bei vielen ganz oben auf der Wunschliste. Die Ergebnisse der Umfrage werden allen zur Verfügung stehen. Gleichzeitig stellen sie für uns eine gute Grundlage dar, um in die Workshops zu gehen.
Für unser Projekt haben wir am 18.08.2021 offiziell unser St.adtlabor in der Seitenkapelle der St. Marien Kirche, mitten im Stadtzentrum, als Anlaufstelle mit festen Öffnungszeiten für Engagierte und Interessierte eröffnet. Dieser Raum soll komplett digital ausgestattet werden, mit Tablets, einem Whiteboard, einem Info-Monitor sowie mit einem digitalen Schaukasten, so dass auch unsere Vereine und Engagierten diesen Raum zukünftig für Sitzungen und Zusammenkünfte nutzen können.
Ab September finden hier verschiedene kostenlose Seminarangebote statt. Gleichzeitig sollen die Workshops für die Entwicklung unserer digitalen Lösung im September starten. Die öffentliche Ausschreibung für den Software-Dienstleister ist dann abgeschlossen, so dass wir mit dem wirtschaftlichsten Anbieter für die technische Gestaltung starten können.
Eine eigene Projektwebsite ist gerade noch im Aufbau. Hier sollen alle relevanten Informationen gebündelt werden, auch die Kommunikation über einen Blog soll für unsere Interessierten zur Verfügung stehen. Ein eigener Facebook-Account für das St.adtlabor ist bereits eingestellt, um aktuell Informationen streuen zu können. In unserem Redaktionsblatt „Herzeiger“ werden regelmäßige Berichte und digitale Tipps zur Verfügung gestellt, von aktuellen Fördermaßnahmen bis hin zu technischen Möglichkeiten.
Was können andere Kommunen von Herzberg lernen?
Da jede Kommune ihre eigenen Stärken und Schwächen hat, ist es schwierig, so allgemein darauf zu antworten. Was ich auf jeden Fall anderen Kommunen mitgeben kann – einfach mal machen und ausprobieren und die Chancen nutzen. Es gibt viele Förderprojekte, die bei der Umsetzung der Digitalisierung, der Partizipation und bei konzeptionellen Sachen, wie zum Beispiel einem Radverkehrskonzept, unterstützen können. Es kostet zwar viel zusätzliche Zeit, jedoch gehe ich davon aus, dass es sich lohnt. Wenn sie engagiertes Personal in der Verwaltung haben, kann hier etwas Tolles entstehen – für die Bürger*innen beziehungsweise für die Entwicklung der Stadt. Mit Kooperationspartnern oder interkommunaler Zusammenarbeit ist meist der Weg auch viel leichter zu bestreiten. Allein als kleine Kommune allen zusätzlichen Aufgaben gerecht zu werden, ist nicht mehr möglich.
Es gehört natürlich auch eine kleine Portion Mut dazu. Letztendlich ist es für meine Verwaltung wichtig, dass die Projekte auch allen Akteuren Spaß machen und Angebote bieten, die auch langfristig, wenn sie sich bewehrt haben, zur Verfügung stehen.
Also letztendlich einfach mal mutig sein, kreativ und einfach mal loslegen…
Wo läuft es noch nicht so rund?
Natürlich steht und fällt jedes Projekt mit dem Projektverantwortlichen beziehungsweise mit dem Personal. Hiervon könnten wir noch mehr Engagierte und Fachexperten gebrauchen. Dies scheint jedoch gerade grundsätzlich auch bei vielen anderen Kommunen der Fall zu sein. Das Bespielen der Web-Dienste und der Social Media Accounts nimmt zudem mehr Zeit in Anspruch. Hier bräuchten wir dringend noch eine personelle Unterstützung. Hier versuchen wir zusammen mit der IHK eine Lösung für einen Ausbildungs- beziehungsweise Fortbildungsplatz zu finden. Alternativ müssen wir auf die altbewährte Stellenausschreibung ausweichen.
Was sind Ihre Vorhaben für die Zukunft?
Die Stadt Herzberg (Elster) familienfreundlich zu gestalten ist unser großer Fokus. Von Freizeitmöglichkeiten bis hin zu Mitgestaltungsmöglichkeiten für unsere Familien soll in verschiedenen Projekten und Modellvorhaben gemeinsam herausgefunden werden, was wir uns für Herzberg wünschen und was wir wirklich benötigen. Natürlich sind die baulichen Gegebenheiten und die Stadtentwicklung eine große Herausforderung. Die Schaffung neuer Baugebiete, die Verbesserung der Fuß- und Radwege, die Renovierung unserer Kitas und die digitale Ausstattung unserer Grundschule (in eigener Trägerschaft) sind nur einige von vielen „Baustellen“, die wir haben.
Hier wollen wir Schritt für Schritt vorankommen, bauen derzeit fleißig und sind motiviert, unsere Vorhaben umzusetzen. Eine gute Verwaltung, die motiviert und serviceorientiert aufgestellt ist und arbeitet sowie ein internes und externes Leitbild mit einer passenden Digitalisierungsstrategie sehe ich als grundsätzliche Voraussetzung für eine zukunftsorientierte Stadt und für die Begleitung von Projekten. Hier sind wir schon gut unterwegs, natürlich haben wir noch viel zu tun und viel vor … also es wird nicht langweilig bei uns.
Angesichts der Vielfalt der Aufgaben und Herausforderungen benötigen Freiwilligenagenturen strukturelle Unterstützung, umfangreiche Vernetzung, fachlichen Austausch und nachhaltige Förderung. Die Geschäftsstelle der Lagfa unterstützt die ehrenamtliche Arbeit im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, Beratung und Interessenvertretung.
Durch die Einrichtung des Labs als niedrigschwellige Anlaufstelle an einem zentralen Ort im Quartier werden die Möglichkeiten der Digitalisierung selbstverständlich und in „Lauflage“ ins Quartier und somit in die Lebenswelt der Bewohnerinnen und Bewohner gebracht.
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